Schwedische Gardinen für Beschneider

Gericht in Schweden verurteilt Einwanderer aus Somalia, der seine Tochter in der Heimat zur Genitalienverstümmelung gezwungen hatte. Sie konnte dann zurück nach Schweden fliehen. Ein Urteil mit Signalwirkung, hoffen Frauenrechtlerinnen

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Wegen Beschneidung seiner 12-jährigen Tochter hat ein Gericht im schwedischen Göteborg am Montag einen 41-jährigen gebürtigen Somalier zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Es war das erste derartige Verfahren nach einem bereits 1982 im Strafgesetzbuch verankerten Tatbestand, der weibliche Beschneidung in Schweden unter Strafe stellt. Vorausgegangene Strafanzeigen hatten nicht einmal zu Anklagen geführt. „Nun hoffen wir auf eine Signalwirkung“, sagt Louise Abubakar von der Vereinigung RISK (Reichsvereinigung zum Stopp weiblicher Beschneidung).

Weibliche Beschneidung, vor allem in Afrika verbreitet, ist in vielen europäischen Ländern strafbar und in Schweden seit 1999 auch dann, wenn sie im Ausland vorgenommen wird. Die Erfahrung hatte nämlich gezeigt, dass viele Eltern den Eingriff bei ihren Töchtern anlässlich von Reisen in ihre Heimat ausführen ließen. Der jetzt verurteilte Mann war Anfang der Achtzigerjahre nach Schweden gekommen und hatte nach der Trennung von seiner Ehefrau seine beiden ältesten Kinder, seine jetzt 13-jährige Tochter und einen zwei Jahre jüngeren Sohn mit nach Somalia genommen. Im Sommer 2005 konnte die Tochter mit Hilfe eines Journalisten von Somalia nach Äthiopien fliehen und über die schwedische Botschaft wieder zu ihrer Mutter in Schweden gelangen. Dort erzählte sie von der gewaltsamen Beschneidung, bei der ihr Vater und ein Verwandter sie festgehalten hatten. Das Leugnen des Vaters wies das Gericht als unglaubwürdig zurück.

Staatsanwältin Margareta Henriksson erklärt die Besonderheiten, die dazu führten, dass erstmals ein Fall zur Anklage gebracht werden konnte: „Wir hatten den körperlichen Beweis für die Beschneidung. Die Mutter war bereit, auszusagen, und sie hat auch die Tochter unterstützt, das Gerichtsverfahren durchzustehen.“ Und Henriksson hofft, „dass es gut wäre, wenn nun andere Betroffene es wagen würden“, solche Beschneidungen anzuzeigen: „Aber ehrlich gesagt bin ich skeptisch. Das wäre meist damit verbunden, sich ganz von seiner Familie zu trennen.“

Nach Unicef-Schätzungen werden täglich weltweit mehr als 8.000 Mädchen an ihren Genitalien verstümmelt, allein die Hälfte davon in den bevölkerungsreichen Ländern Ägypten und Äthiopien. Der Brauch gilt bei vielen afrikanischen Kulturen als reinigend, führt aber oft zum Tod oder zu lebenslangen Schäden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO wies Anfang Juni in einer Studie nach, dass Beschneidung das Risiko von Komplikationen oder sogar Tod bei der Entbindung erheblich erhöht. In zahlreichen afrikanischen Ländern ist die Mädchenbeschneidung inzwischen verboten.