Wackelige Koalition in Tschechien mit Grünen

Die Mitte-rechts-Regierung in Prag ist auf die Tolerierung durch die oppositionellen Sozialdemokraten angewiesen

PRAG taz ■ Der erste Versuch, trotz Pattsituation im tschechischen Parlament eine Regierung zu bilden, heißt Dreierkoalition. Am Montag unterschrieben Vertreter der Bürgerdemokraten (ODS), Grünen (SZ) und Christdemokraten (KDU-ČSL) einen Koalitionsvertrag und stellten eine Blaupause ihres Wunschkabinetts vor. Gestern kam das Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Ob die Koalitionsregierung lebensfähig ist, entscheidet sich im Juli, wenn sie das Abgeordnetenhaus um das Vertrauen bittet. Die Opposition, angeführt von dem amtierenden Ministerpräsidenten Jiří Paroubek, werde diese Regierung und diesen Koalitionsvertrag nicht unterstützen, erklärte der Sozialdemokrat Paroubek bestimmt.

Die tschechischen Parlamentswahlen Anfang Juni hatten zu einer Pattsituation geführt. Zwar ging die ODS prozentual als Wahlsieger hervor, doch weder die Parteien der Dreierkoalition noch die Opposition aus Sozialdemokraten (ČSSD) und Kommunisten (KSČM) sind mehrheitsfähig. Sie verfügen im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus über je 100 Mandate.

Daher war die Symbolik mehr als passend. Nach der Unterzeichnung entglitt der Koalitionsvertrag seinen Schöpfern und fiel auf den Boden. Es brauchte die gemeinsame Anstrengung des designierten Ministerpräsidenten Mirek Topolánek (ODS) und seines künftigen Stellvertreters Martin Bursík (Grüne), um das Dokument wieder aufzuklauben. „Falls wir keine Unterstützung erhalten, ist es ein totes Kind“, räumte Topolánek ein. Der farblose ODS-Vorsitzende scheint auf ein Wunder zu hoffen oder ist zu weiteren Zugeständnissen an die Sozialdemokraten bereit. Denn deren Vorsitzender, Jiří Paroubek, wird den Vertrag nur tolerieren, wenn er bestimmte Bedingungen erfüllt. So ist die Opposition kompromisslos in ihrer Ablehnung der Einheitssteuer, die die ODS einführen will. Dabei haben die Bürgerdemokraten bei den Verhandlungen schon genug Kompromisse schließen müssen. Nur die Einkommensteuer soll einheitlich werden.

So ist der ganze Koalitionsvertrag ein lauer Kompromiss. Nur noch „in Erwägung gezogen“ werden die einjährigen Steuerferien für Gewerbetreibende, mit denen die ODS im Wahlkampf gelockt hat. Aufgeben mussten sie und die Christdemokraten die Einführung von Studiengebühren. Christdemokraten wie auch Grüne konnten ihre Vision von einer gesetzlichen Rentenkasse nicht durchsetzen.

Auch ohne übermächtige linke Opposition würde es eine Dreierkoalition im politischen Alltag schwer haben. Zu verschieden sind die Ansichten, zum Beispiel zwischen Grünen und ODS. Letztere planen den Ausbau des AKW Temelín, während sich die Grünen dem Atomausstieg verpflichtet haben. Die stellvertretende Grünen-Vorsitzende und mögliche Erziehungsministerin, Dana Kuchtová, hat sich ihre politischen Sporen als Vorsitzende der Anti-Temelín-Bewegung „Südböhmische Mütter“ verdient.

Auch hinsichtlich der EU scheiden sich die Geister. Die Grünen sind eindeutig pro EU, während die Bürgerdemokraten für ihre ablehnende Haltung gegenüber einer vertieften Union bekannt sind.

Außenminister in Topoláneks Kabinett soll der Exdissident Alexander Vondra werden. Vondra ist bekannt für seine vorbehaltlose Haltung gegenüber den USA. Er sei daher nicht die beste Wahl für die EU, hieß es gestern in deutschen Diplomatenkreisen. Nicht nur die Wahl Vondras deutet darauf hin, dass die Außenpolitik einer möglichen Topolánek-Regierung sehr USA-freundlich sein wird. Der designierte Regierungschef hat bereits erklärt, er werde eine amerikanische Raketenbasis in Tschechien willkommen heißen.

ULRIKE BRAUN