Grandiose Lügenmärchen

FANTASIE Der Regisseur Tim Burton schafft den düsteren Gegenentwurf zum Disney-Kitsch. Das Koki in Hannover widmet ihm eine Filmreihe

Für ihn ist das Kino ein großer Spielzeugladen. Kein anderer Hollywoodregisseur bedient sich so begeistert wie Tim Burton im Fundus alter Filmeffekte und Populärmythen. Im Grunde hat er immer Trickfilme gemacht. Immer wieder baut er bizarre Fantasiewelten, in denen das Düstere gemütlich ist und das Böse aus den schmucken Gärten der Vorortsiedlungen kriecht.

Burton begann seine Karriere mit 18 Jahren als Zeichner bei Disney. Dort muss er eine Überdosis Kitsch abbekommen haben, denn seine späteren filmischen Visionen sind wie spiegelverkehrte Abbilder von Mickey, Donald, Schneewittchen und Bambi.

Bis Ende Januar präsentiert das Kommunalkino Hannover im Künstlerhaus eine kleine Tim-Burton-Werkreihe. Der Film „Big Fish“ von 2003 wird in der Originalfassung mit Untertiteln gezeigt. Darin macht der Fabulierer Burton das Fabulieren selber zum Thema. Erzählt wird von einem Sohn, dem die Geschichten, die sein Vater immer wieder erzählt, zum Halse heraushängen. Er kann es nicht glauben, dass dieser mit einem Riesen auf Reisen ging, mit einem Werwolf befreundet war oder eine Zeitlang in einem verwunschenem Dorf gelebt hat.

Burton inszeniert dieses grandiose Lügenmärchen als eine surreale Nummernrevue, erzählt diese Vater-Sohn-Geschichte aber ohne Ironie – der Film dürfte der emotionalste in Burtons bisheriger Karriere sein. In einer Nebenrolle tritt übrigens Helena Bonham Carter auf, die in sieben von Burtons Filmen mitspielte und mit der er inzwischen zwei Kinder hat.

Noch länger kennt Burton Johnny Depp, mit dem er seit „Edward mit den Scherenhänden“ achtmal zusammengearbeitet hat. Immer spielt Depp bei ihm verschrobene Eigenbrötler und einer von diesen ist der Schokoladenfabrikant Willy Wonka in dem Film „Charlie und die Schokoladenfabrik“. Die Kurzgeschichte von Roald Dahl wurde 1971 schon einmal verfilmt, und auch damals spielte die Fabrik die eigentliche Hauptrolle. In ihr gibt es einen See aus Schokolade, auf dem man Bootfahren kann und die Nüsse werden von einem Heer von Eichhörnchen bearbeitet.

Anders als im Programm angegeben ist nicht Tim Burton, sondern Shane Acker der Regisseur von „#9“. Der Film spielt in einer postapokalyptischen Welt, in der eine Stoffpuppe sich mit Monstermaschinen herumschlagen und den Sinn seiner Existenz ergründen muss. „#9“ gehört wie „Nightmare before Christmas“ und „James und der Riesenpfirsich“ zu der Handvoll von animierten Filmen, die von Burton nur produziert wurden, bei denen aber sein Einfluss so prägend ist, dass sie auch zu seinem Werk gezählt werden.  HIP

Tim-Burton-Filmreihe: noch bis 29. Januar, Kino im Künstlerhaus, Hannover