Unhaltbare Zugstände

Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) stoppt alle Planungen für 16 neue oder zu modernisierende Bahnstrecken in NRW. Verkehrsverbünde machen künftiges Angebot vom Land abhängig

Von Wittkes Planungsstopp sind alle Regionen im Land betroffen

von STEPHAN GROßE

Viel sollte bis 2015 am Schienennetz in NRW getan werden. Doch nun liegen alle 16 Bau- und Modernisierungsprojekte auf Eis. Landesverkehrsminister Oliver Wittke (CDU) verhängte am Dienstag einen generellen Planungsstopp: „Wir sollten nur dort bauen, wo nachher auch Betrieb ist“, begründet er seine Entscheidung. Damit reagiert Wittke auf die Streichung der Regionalisierungsmittel durch den Bund. NRW muss bis 2010 rund 516 Millionen Euro beim öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einsparen. Das Verkehrsministerium muss allein in diesem Jahr 16 Millionen, im kommenden sogar 87 Millionen Euro sparen.

Von den Kürzungen des Bundes sind auch die neun Verkehrsverbünde des Landes betroffen. In den meisten Fällen steht aber noch nicht fest, wie diese auf die Streichungen reagieren werden und wie vielen Strecken möglicherweise das Aus droht. „Die Zahlen über die Kürzungen liegen uns auch vor, aber was diese konkret bedeuten, steht noch in den Sternen“, sagt Hans Oehl, Sprecher des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR). Der VRR steht an der Spitze des Aktionsbündnisses „Gegen Kürzungen bei Bus und Bahn“ diverser nordrhein-westfälischer Verkehrsunternehmen. Zu möglichen Erhöhungen der Fahrpreise will sich Oehl nicht äußern. Fest steht aber: Die Verkehrsverbünde stehen am Ende der Geldversorgungskette. Dahinter sind nur noch die Verkehrsbetriebe, wie Bus-Betreiber in den Städten –und letztendlich die Fahrgäste. Schon jetzt prognostiziert Oehl: „Die Kürzungen werden herbe Einschnitte für das gesamte System bedeuten.“ Auch der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) ist von der Entscheidung Wittkes betroffen, hegt aber Hoffnung: „Nach unserem Kenntnisstand handelt es sich hierbei um ein Aussetzen der Planungen und nicht um das endgültige Aus“, sagt Norbert Reinkober, Geschäftsführer der VRS. Trotzdem werden auf zwei Strecken, wie beispielsweise bei der Verbindung Köln-Overath, nicht häufiger Züge fahren.

Das Düsseldorfer Verkehrsministerium wartet ebenfalls: Auf die Reaktionen der Verkehrsverbünde auf die Mittelkürzung. Das war auch der Grund für den Planungsstopp. So soll verhindert werden, dass Strecken modernisiert oder ausgebaut werden, die später möglicherweise nicht mehr von den Verbünden bedient werden.

Von Wittkes Planungsstopp sind Projekte in ganz NRW betroffen: Die Ratinger Weststrecke von Duisburg nach Düsseldorf genauso wie die Verbindung zwischen Aachen Rothe Erde zum Hauptbahnhof sowie nach Stolberg. Die Reaktivierung der Strecke von Marienheide nach Brügge in Westfalen und die Anbindung von Siegen und Erndtebrück an die hessische Landesgrenze wird zunächst nicht weiter verfolgt. Auch der Ausbau der Sennebahn-Strecke zwischen Paderborn und Bielefeld steht wieder in den Sternen.

Von Seiten der Oppositionsparteien im Landtag hagelt es Kritik an Wittkes Entscheidung. Oliver Keymis, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, kommentiert die Lage mit Blick auf die Ankündigung Oliver Wittkes, 834 Millionen Euro in den Straßenbau zu investieren: „Deutlicher kann man sich nicht als Totengräber des ÖPNV in NRW präsentieren.“ Auch Axel Horstmann (SPD), Wittkes Amtsvorgänger im Verkehrsministerium, kritisiert die Entscheidung des Ministers: „Erst vor wenigen Tagen hat er angekündigt, er könne die Kürzungen verkraften. Jetzt zeigt sich, dass der Ankündigungsminister wieder mal keinen Plan hat.“