Emils neue Kusinen

DIE NEUEN DETEKTIVE Mit „Beschützer der Diebe“ bringt das Theater an der Parkaue einen Berlinkrimi für Kinder auf die Bühne. Das jugendliche Premierenpublikum ist voll bei der Sache und kommentiert munter die Handlung

Wer jemals gedacht hat, die Jugend sei durch übermäßigen Mediengebrauch oberabgeklärt und abgestumpft, könnte sich hier davon überzeugen, dass das alte Kasperletheaterprinzip auch bei den Kids von heute noch zuverlässig funktioniert

VON KATHARINA GRANZIN

Berliner Kinder haben’s gut, denn in einer Stadt wie dieser muss Langeweile nicht sein. Wer es zu Hause öde findet, kann einfach vor die Tür gehen, wo das Leben voller Überraschungen und Abenteuer ist. Gesetzt den Fall, man sucht sie.

Genau das tun Dags, Guddi und Olaf in Andreas Steinhöfels Buch „Beschützer der Diebe“, das Franziska Ritter jetzt in einer von ihr selbst eingerichteten szenischen Version im Theater an der Parkaue für ein junges (auch: junggebliebenes) Publikum auf die Bühne gebracht hat. Die drei Kinder erfinden ein Spiel: Jedes sucht sich auf dem Ku’damm irgendeine fremde Person aus und muss dieser folgen, um möglichst viel über sie herauszubekommen.

Daraus wird schnell Ernst, als ausgerechnet Guddi, die gerade erst aus dem beschaulichen Butzbach in die Hauptstadt gezogen ist, Zeugin wird, wie der von ihr Beschattete entführt wird. Zum Glück lässt der Mann, bevor er in ein bereitstehendes Auto gezwungen wird, noch einen Zettel fallen („Für mich!“ ist Guddi überzeugt), auf dem die Buchstaben K, E, M samt einer Zahlenkombination und drei auf dem Kopf stehenden Dreiecken notiert sind. Der Gedanke, zur Polizei zu gehen, kommt den dreien nicht; sie machen sich selbst an die Detektivarbeit. Die führt sie ins Kempinski, in den Französischen Dom und ins Pergamon-Museum, wo es zum dramatischen Showdown kommen wird.

Das jugendliche Premierenpublikum, das im Alter zwischen elf und sechzehn changiert, ist voll bei der Sache. Wer jemals gedacht hat, die Jugend sei durch übermäßigen Mediengebrauch oberabgeklärt und abgestumpft, könnte sich hier davon überzeugen, dass das alte Kasperletheaterprinzip auch bei den Kids von heute noch zuverlässig funktioniert. Da wird munter die Handlung kommentiert („Boah, die hat ein Handy!“ oder „Iih, die sind ja schwul!“-Kommentare verraten so manches über den Wertekanon des Nachwuchses); als die Hauptdarstellerinnen Wackelpudding essen, werden sehnsüchtige „Ich will auch einen!“-Rufe laut; und als der Schauspieler Lutz Dechant in der Rolle des korrupten Kultursenators Röhricher ein Schiff auf den Namen Brigitte tauft und dazu eine Rede hält, spielt das Theaterpublikum entzückt die Rolle des Schiffstaufenpublikums und applaudiert enthusiastisch in jeder Kunstpause, die der Redner einlegt.

Die Jugend fühlt sich offensichtlich gut abgeholt. Und auch als erwachsene Zuschauerin kann man Franziska Ritters dramatischer Verdichtung von Steinhöfels Romanvorlage viel abgewinnen. Durch den wohlüberlegten Einsatz eines oft missbrauchten technischen Verfahrens gewinnt die Inszenierung enorm an Spannung und Tempo: Videoprojektionen ergänzen das Geschehen auf der Bühne. Da es sich hier um Kindertheater handelt, wird damit jedoch keine zusätzliche Sinn- oder Unsinnsebene transportiert, sondern ein Teil der Handlung. Diese kann damit zugleich auf der Bühne wie im Video stattfinden, wodurch sich oft eine Art Split-Screen-Effekt einstellt. So können Guddi und Olaf live über Skype mit ansehen, wie die toughe Dags in das Hotelzimmer des Oberschurken eindringt und dabei mit dem Handy filmt. Als Guddi von einem Unterschurken bis in den Turm des Französischen Doms hinauf verfolgt wird, hastet sie im Video von weitem eine Wendeltreppe hinauf, während sie gleichzeitig auf der Bühne von vorn zu sehen ist, im selben Rhythmus laufend und keuchend wie im Film.

Der cinephile Olaf lässt es sich denn auch nicht nehmen zu kommentieren: „Das war ja wie bei Hitchcock!“ – Sehr oft zeigt das Video auch einfach Ort und Tageszeit an, ist also Teil des Bühnenbilds (Angelika Wedde), das ansonsten lediglich aus ein paar schlichten, multifunktionalen offenen Metallquadern besteht, die sich in jeden beliebigen Raum verwandeln können.

Die drei HauptdarstellerInnen Katrin Heinrich, Niels Heuser und Franziska Krol werden am Schluss begeistert gefeiert, was zeigt, dass sie offenbar auch in den Augen des Zielpublikums sehr überzeugende Jugendliche abgegeben haben. Ein paar Extrajuchzer heimst sehr zu Recht Angelika Böttiger ein, die in verschiedenen Nebenrollen gezeigt hat, was komödiantische Klasse alter Schule ist. Nur der arme Andrej von Sallwitz, der im Stück den Oberschurken geben musste, wird entrüstet ausgebuht. Das ist natürlich nichts Persönliches. So läuft es halt im Kasperletheater.

■ Nächste Vorstellungen (letzte vor der Sommerpause): 5. 6., 10 Uhr, 6. 6., 9 Uhr