Staatskrise schreckt Investoren

WIRTSCHAFT Lira schmiert ab, Börse verliert, Energie wird teurer

ISTANBUL taz | Während sich die türkische Regierung mit der eigenen Justiz und ihren früheren Freunden von der islamischen Gülen-Bewegung einen erbitterten Machtkampf liefert, stürzt die türkische Wirtschaft langsam, aber sicher in die Krise. Erste Anzeichen dafür sind Verluste an der Börse und der anhaltende Niedergang der türkischen Lira.

Seit Ausbruch der Krise hat die Istanbuler Börse mehr als 10 Prozent verloren. Der Wert der führenden türkischen Unternehmen hat dadurch nach Angaben des für die Wirtschaft zuständigen Stellvertretenden Ministerpräsidenten Ali Babacan bis Ende des Jahres um 49,3 Milliarden Dollar abgenommen.

Ministerpräsident Erdogan, der in der Auseinandersetzung eine Verschwörung gegen den wirtschaftlichen Erfolg der Türkei sieht, bezifferte vor wenigen Tagen die bisherigen Verluste sogar auf 120 Milliarden Dollar.

Dabei sind die aktuellen Zahlen gar nicht das Ausschlaggebende, sondern die Aussichten auf die nahe Zukunft. Das mit rund 4 Prozent veranschlagte Wachstum für 2014 wird wohl nicht zu erreichen sein. Das hat mit globalen ökonomischen Entwicklungen zu tun, die dazu führen, dass Gelder aus Schwellenländern abgezogen werden, wird aber durch das Auftreten der türkischen Regierung zusätzlich verstärkt. Wer wie Erdogan ständig von internationalen Verschwörungen redet, ist für internationale Investoren nicht mehr glaubwürdig. Die Türkei ist dabei, ihren Ruf als stabiles Land in einer instabilen Umgebung zu verlieren. Große Anleger ziehen langsam ihr Vermögen ab, neue Direktinvestitionen aus dem Ausland bleiben aus. Die Ratingagentur Fitsch hat jetzt als erste der großen drei sogar vor Investitionen in der Türkei gewarnt.

Ohne ständigen Nachschub von frischem Kapitel kann die Türkei aber ihre großen Verluste in der Außenhandelsbilanz nicht mehr ausgleichen. Um weiterhin das notwendige Öl und Gas importieren zu können, muss bei ständig fallendem Lira-Kurs immer mehr bezahlt werden. Dass sich dadurch Exporte verbilligen, hilft im Moment wenig. Schon jetzt sind die Gaspreise für Endverbraucher drastisch gestiegen, und an der Tankstelle bezahlen die Türken die mit Abstand höchsten Preise in Europa. JG