ANZÜNDEN VON US-FLAGGEN: GRÜNDE SIND INTERESSANTER ALS DAS VERBOT
: Meinungsäußerung für Einfältige bleibt

Das ganze Gerede von der Krise US-amerikanischer Politik ist offenkundig Unsinn. Wer es sich leisten kann, seine wichtigste Parlamentskammer einen Tag lang darüber debattieren zu lassen, ob die Landesfahne per Verfassungszusatz vor Verunglimpfung oder schlicht Abfackelung geschützt werden soll, der kann keine wirklichen Probleme haben. Außer vielleicht eben denen, die dazu führen, dass so viele Menschen es für eine gute Idee halten, die US-Fahne zu verbrennen. Aber das ist ein anderes Thema.

Sicher ist: Vermutlich keine Fahne der Welt wird so oft verbrannt wie die US-amerikanische. Seit der Oberste Gerichtshof der USA 1989 entschieden hat, dass der Erste Verfassungszusatz das Fahnenverbrennen als Meinungsäußerung schützt, haben die Parlamentarier schon viermal versucht, die Verfassung entsprechend zu ändern – jedes Mal ohne Erfolg. Etliche der Demokraten, die am Dienstag gegen die Verfassungsänderung stimmten – die den Kongress ermächtigen sollte, fahnenschützende Gesetze zu erlassen –, warben im Übrigen vorher für ein Gesetz, dass einfach so das Fahnenverbrennen unter Strafe gestellt hätte. Das sieht nun aber der Oberste Gerichtshof als Verfassungsbruch an. Vielleicht wäre es praktikabler, gleich die Verfassung zu verbrennen.

Zugegeben: Deutsche, die etwa das Verbot der Holocaust-Leugnung und der Verwendung von Nazi-Symbolen für angezeigt halten, tun sich zuweilen schwer mit der weiten Auslegung der Meinungsfreiheit in den USA. Außerdem ist das Verbrennen von Nationalfahnen stets eine außergewöhnlich einfältige Art, sein Missfallen kundzutun. Nur: Angesichts der von republikanischer Seite nach dem 11. September 2001 losgetretenen Patriotismusdebatte wäre das Annehmen des Verfassungszusatzes doch ein fatales Zeichen gewesen.

In Wahrheit aber ist es Quatsch, sich mit dem Thema überhaupt auseinander zu setzen. Dass der Senat darüber abgestimmte, hat einen einzigen Grund: Es ist Wahlkampf in den USA. Weitere Abstimmungen zu ideologisch besetzten Themen werden folgen, etwa zu Homoehe und Abtreibung. Die Senatoren tun etwas für ihre Abstimmungsstatistik, mehr nicht. BERND PICKERT