Dorfbank wird Konzern

Die Sparkassen im Land stehen unter Druck: Die EU fordert, ihre geschützte Sonderrolle aufzugeben. Und ein Gutachten des NRW-Finanzminister fordert normale Kapitalgesellschaften

von SVEN PRANGE

Helmut Linssen ist auf einer Linie mit Brüssel: Ebenso wie am Mittwoch von der EU wird jetzt auch in einem Gutachten des NRW-Finanzministers die Privatisierung der Sparkassen gefordert. Linssen (CDU) hatte das Gutachten bei den beiden Sparkassenverbänden aus Rheinland und Westfalen für eine Reform des Sparkassengesetzes in Auftrag gegeben. Sie schlagen im Papier unter anderem vor, die öffentlich-rechtlichen Sparkassen in Kapitalgesellschaften zu verwandeln.

Auch die EU-Komission hatte diese Woche verlangt, den Sonderschutz für die deutschen Sparkassen abzuschaffen. Bei deren Verkauf müssten auch Privatbanken oder Finanzinvestoren einsteigen können und den Namen Sparkasse behalten dürfen.

Die Sparkassen-Experten empfehlen in NRW Änderungen, wie sie bereits in Hessen und Thüringen durchgeführt wurden. Demnach sollen die Sparkassenverbände eng mit der Landesbank West LB zusammenarbeiten, aber selbstständig bleiben. Dazu sollen die Verbände wie normale Kapitalgesellschaften geführt werden, mit einem mehrköpfigen Vorstand und einem Aufsichtsrat.

Bislang will Linssen sein Gutachten aber nicht kommentieren. „Der Minister bildet sich noch eine Meinung“, heißt es aus dem Ministerium. „Wir würden das gerne im Konsens mit allen Beteiligten machen.“ Linssen und SPD-Landtagsfraktionschefin Hannelore Kraft hätten sich darauf bereits verständigt. Das Gutachten jedenfalls bietet alle Möglichkeiten für die Parteien, ihr Gesicht zu wahren. Zwar sollen die Sparkassen künftig ähnlich wie Unternehmen organisiert werden – eine alte CDU-Forderung –, dafür kommt das Wort „Privatisierung“ in den Reformvorschlägen nicht mehr vor. Dies hatten SPD und Grüne gefordert.

Damit die Kommunen der Stärkung der Sparkassenverbände auch zustimmen, sollen sie laut Gutachten ein Zuckerstückchen erhalten: Sparkassen sollen künftig als Unternehmen der Kommunen bezeichnet werden. Bisher sind diese nur Träger der Sparkassen, nicht ihre Eigentümer. So dürfen Sparkassen keinen Gewinn abführen – weil sie eben keinen Eigentümer haben, dem dieser Gewinn zustände. Deshalb treten sie als Sponsoren für unzählige Aktivitäten vor Ort auf.

Arbeitnehmervertreter fürchten hingegen die schleichende Einführung konzernähnlicher Strukturen. „Wenn man jetzt den Begriff Eigentümer einführt, dann ist man auch schnell beim Begriff Eigentümerkapital“, sagt Hans Mühlhan, Sparkassen-Experte von Ver.di in NRW. Das könne eine schleichende Unterhöhlung des Gemeinwohlprinzips bedeuten, weil die klammen Kommunen ihre Institute dann auf Gewinnmaximierung trimmen würden. Die Überschüsse der Sparkassen könnten dann in die leeren Kassen der Städte fließen. Die kommunalen Spitzenverbände haben bereits ihre Zustimmung signalisiert.

Das dürfte Helmut Linssen entgegenkommen. Mühlhan: „Der könnte diese zusätzlichen Einnahmen der Städte an anderer Stelle einsparen.“ Handwerk und mittelständische Wirtschaft hingegen bekämpfen die Änderungen. Sie pochen darauf, den Status der Sparkassen unangetastet zu lassen. Denn die nicht auf Gewinne fokussierten Institute sind für kleine Unternehmer die einzige Möglichkeit, an Kredite zu kommen. Ärgerlich sind die Verbandsvorschläge auch für die FDP. Sie war bisher für eine Privatisierung der Sparkassen und gegen eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen.

Was es heißt, wenn Sparkassen sich näher am Markt orientieren, erfahren derzeit die Mitarbeiter der Sparkasse Gütersloh. Nachdem eine einschlägige Unternehmensberatung das Institut in den letzten Monaten durchforstet hat, stehen dort zehn Prozent der Belegschaft auf der Kündigungsliste. Sie stünden, so die Begründung,einem besseren Ergebnis der Sparkasse im Wege.