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: Politische Waschzettel

Sonst gehen Heike, Jochen, Renate und die anderen sieben auch so mal ins Karstadt-Sporthaus. Aber heute fühlt es sich anders an, durch den Fifa-WM-Shop zu schlendern. Heute wollen sie keine Kleider kaufen, heute haben sie eine Mission. „Deutschland? Müsste eigentlich da mit zwischen hängen!“, schreit die Verkäuferin im knielangen Ballack-Trikot. Hinter ihr stopft Renate einen Zettel in einen Schweden-Schal hinein. Der Zettel ist weiß, halb so groß wie eine Zigarettenschachtel und bedruckt wie ein Waschzettel: „MADE IN HELL“ steht da, „Hergestellt im rechtsfreien Raum“ und „90-Stunden-Woche“, „Kein Arbeitsschutz“, „Kein Mindestlohn“, „Sexuelle Übergriffe“.

Einen Meter neben Renate kniet gerade Heike und klemmt den gleichen Zettel an ein Frankreich-Trikot. Zwischen ihnen steht ein WM-Tourist aus Indien mit einer Brasilien-Kappe in der Hand. Er beobachtet die beiden, schüttelt den Kopf, legt die Kappe zurück und geht weg. Heike hat eine Digitalkamera dabei und knipst das Trikot mit dem neuen, politischen Waschzettel. Einmal, zweimal, dreimal. Ein Mann in kurzer Hose geht vorbei und wundert sich. Die Verkäuferin steht zwei Meter weiter und merkt nichts.

Heike, Renate, Jochen und die anderen verteilen eine Dreiviertelstunde lang ruhig und sorgfältig 1.500 Zettel. Sie müssen sich schon mit einem Plakat direkt an die Rolltreppe stellen, Flugblätter verteilen und in ihre Trillerpfeifen blasen, bis das Personal aufmerksam wird und die Männer vom Sicherheitsdienst holt. Die schmeißen die zehn dann umgehend raus – aber die Zettelchen, die finden sie nicht. MAF