Der Preis bewegt sich

KULTUR Die Literarische Woche bietet viele Auseinandersetzungen mit den „Anderen“ – und eine Preisverleihung, die sich von Schröders Geburtstag löst

■ In „Vom Menschen zum Flüchtling – vom Flüchtling zum Menschen“ porträtiert Cornelia Suhan 12 individuelle Schicksale. Das Thema „Die Anderen“ wird auch in der gleichfalls in der Stadtbibliothek präsentierten Ausstellung untersucht, die Menschen beim ersten Verblüffungsmoment nach dem Aufsetzen fremder Kopfbedeckungen zeigt. Weiteres: www.literarische-woche.de. (15. - 28. 1.)

„Die Anderen, Angst und Faszination“ ist das Thema der diesjährigen Literarischen Woche. Deren Stärke besteht unter anderem darin, ihr jeweiliges Leitthema beileibe nicht „nur“ aus literarischer Sicht zu beleuchten. Neben AutorInnen sind wichtige Wissenschaftler wie der Gewaltforscher Andreas Zick und Klaus-Michael Bogdal eingeladen, der über die „Erfindung der Zigeuner“ spricht. Ausstellungen und Filme gehören ebenfalls zum reichhaltigen Programm.

Höhepunkt der Literarischen „Woche“, die de facto eine Doppelwoche ist, ist die Verleihung des mit 20.000 Euro dotierten Bremer Literaturpreises an Clemens Meyer am 27. Januar. Es ist das erste Mal, dass der hoch renommierte Preis nicht am Geburtstag von Rudolf Alexander Schröder verliehen wird. Der Bremer Senat hatte die Auszeichnung zu Schröders 75. Geburtstag 1953 gestiftet – fünfzehn Jahre, nach dem Bremens NS-Bürgermeister Böhmcker die heute noch verliehene „Medaille für Kunst und Wissenschaft“ für Schröder als deren ersten Träger geschaffen hatte. Schröder war im „Dritten Reich“ unter anderem wegen des von ihm schon 1914 gedichteten „Deutschen Schwurs“ populär, der bei jedem Fahnenappell der Hitler-Jugend gesprochen wurde.

Deutet sich in dieser Datumsverschiebung eine Distanzierung von Schröder als Patron des Literaturpreises an? Nur äußerlich. Denn diese sei allein technisch begründet, sagt Barbara Lison, Direktorin der Stadtbibliothek und Geschäftsführerin der Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung. In dem der Preis nun stets am letzten Montag des Januar verliehen werde, könnten Kultursenator und Bürgerschafts-Abgeordnete, die sonst Sitzungen haben, leichter an der Verleihung teilnehmen.

Der Bremer Literaturpreis wurde 1954 zum ersten Mal vergeben, was dieses Jahr als 60. Geburtstag gewürdigt wird. Allerdings gab es nur 58 Preisträger. Der Grund: 1960, Schröder hatte gerade den Jury-Vorsitz abgegeben, sollte Günter Grass für die „Blechtrommel“ ausgezeichnet werden. Der Senat lehnt das wegen der „literarischen Beschreibung von Ekel und Sexualität, Tod und Blasphemie“ ab, was zu einer Zwangspause führte. Seither wird der Preis ohne direkte Mitwirkung des Senats von der Schröder-Stiftung verliehen.

Die gute Nachricht am Rande: Die Finanzierung des mit 6.000 Euro dotierten Förderpreises, der in diesem Jahr an Roman Ehrlich geht, ist bis 2016 gesichert. Ursprünglich wurde der 1977 ins Leben gerufene Nachwuchs-Preis ebenfalls aus öffentlichen Mitteln finanziert, 2005 haben das die Öffentlichen Versicherungen Bremen (ÖVB) übernommen. Dieses Engagement wurde nun um drei Jahre verlängert.  HENNING BLEYL