„Die Fankurve bleibt die Fankurve“

FUSSBALL Wo Fans aufeinandertreffen, gebe es Probleme mit Homophobie, glaubt Ralf Zimmermann vom schwulen Verein SSL Vorspiel Berlin. Er rechnet damit, dass das auch nach Hitzlspergers Outing so bleibt

spielt Fußball im Männerteam von SSL Vorspiel Berlin und ist Abteilungsleiter der Sektion Fußball. Seit 25 Jahren treffen sich in dem Verein homosexuelle Männer und mittlerweile auch Frauen, um Sport zu machen. Der Klub ist für viele mehr als ein Sportverein: Treffpunkt, Freizeitheim, Wohlfühloase. Willkommen ist jedeR.

taz: Herr Zimmermann, wie fanden Sie das Outing von Thomas Hitzlsperger?

Ralf Zimmermann: Ich habe mich richtig gefreut, dass es dazu gekommen ist. Unser ganzes Team war sehr glücklich darüber. Natürlich wünscht man sich, dass sich mal ein aktiver Spieler bekennt oder vielleicht sogar eine Gruppe von Spielern. Das wäre ein wirklich starkes Signal. Aber das ist Wunschdenken. Ich habe Verständnis, dass er sich nach seiner aktiven Karriere geoutet hat und viele Aktive lieber im Verborgenen leben.

Warum?

Das Risiko ist einfach sehr groß. Weniger wegen der Mitspieler; die größte Gefahr droht von den Fans. Ich habe auch das Gefühl, dass das zunimmt. Nach einer kurzen Schonfrist würde das sicher richtig hart für einen Aktiven, der sich outet.

Betrifft das auch die Berliner Fans?

Überall, wo Fußballfans aufeinandertreffen, gibt es Probleme mit Homophobie. So wie es auch Rassisten gibt, selbst wenn im eigenen Team ein Schwarzer spielt. So weit denken die meisten nicht, wenn sie in der Kurve grölen.

Thomas Hitzlsperger ist die Aufmerksamkeit der Medien sicher. Wie schwer ist es, in Amateurligen offen schwul zu sein – ohne den Schutz der Öffentlichkeit?

In Kreisklassemannschaften irgendwo auf dem Land ist das sicher schwer. Da gehört man als Schwuler nicht zum akzeptierten Kern der Mannschaft. Man wird dann einfach immer der schwule Fußballer sein, nicht der Fußballer. Schwul ist da ein Negativprädikat, das einem anhängt, das nie mehr weggeht. Es verhindert, dass man sich in die Gruppe integrieren kann.

Wie ist das in einer liberalen Großstadt wie Berlin?

Speziell in unserer Liga, der studentischen TU-Liga, ist das kein Problem. Wir wurden noch nie angefeindet. Wenn doch mal ein Spruch kommt, dann war das im Eifer des Gefechts. Berlin ist da die Insel der Glückseligen. Hier wird man als Schwuler gar nicht mehr wahrgenommen.

Verhalten sich Heteromannschaften, gegen die Sie spielen, Ihrem Team gegenüber besonders?

Überhaupt nicht. Die merken, wie normal wir mit unserer Homosexualität umgehen, und dass wir ganz normal Fußball spielen. Diese Normalität würde ich mir eben auch für die Bundesliga wünschen.

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie als Fan im Olympiastadion oder der Alten Försterei sind?

Ich schalte da auf Durchzug. Sollten blöde Fangesänge oder Beleidigungen kommen, stehe ich drüber. Wir machen bei uns im Training auch Witze und sagen „was für ein schwuler Pass“. Weil wir damit locker umgehen, treffen mich Sprüche aus den Kurven nicht.

Was würde passieren, wenn sich ein aktiver Herta-Spieler outen würde?

Klar, viele würden ihm Respekt zollen – am Anfang. Früher oder später, wenn der Alltag einzieht, würde es aber Probleme geben. Für den Verein wäre so etwas nicht einfach. Wer noch eine Karriere vor sich hat, der überlegt sich das sicher zweimal.

Glauben Sie, dass sich durch Hitzelspergers Outing etwas ändern wird im deutschen Fußball?

Da bin ich eher pessimistisch. Der Stammtisch bleibt erst mal der Stammtisch, und die Fankurve bleibt auch, was sie ist. Nur wegen Thomas Hitzlsperger wird sich jetzt kein aktiver Spieler outen. INTERVIEW: FERDINAND OTTO