deutsch-argentinische freundschaft (4)
: Fehlt nur noch das Goleo-Kostüm

Meine Freundin ist Argentinierin. Ich bin Deutscher. Heute ist Viertelfinale. Das wird lustig

„Sollen wir das machen? Sollen wir das wirklich machen?“ Was für eine Frage! Da haben wir die Möglichkeit, Eintrittskarten für das Viertelfinale zwischen Deutschland und Argentinien zu bekommen, dazu noch zum unglaublichen Preis von 100 Euro pro Stück, zwar nur für Argentinier, aber mit einem kleinen Trick auch für mich – und meine argentinische Freundin zögert.

Stimmt schon: Wir machen uns nicht viel aus Fußball. Aber andererseits: Wann hat man schon so eine Möglichkeit?

„Warum müssen wir so etwas machen, nur weil es alle machen?“ Es klingt vielleicht verrückt, aber für solche Fragen liebe ich diese Frau. Die ganze Welt will Karten für dieses Fußballspiel und hat keine. Wir könnten welche haben – aber wir müssen doch da nicht hin!

Dennoch: Es gärt in ihr. Eigentlich will sie doch. Dann wieder nicht: „Ich könnte es nicht ertragen, wenn Argentinien verliert! So eine Enttäuschung!“ Das Trauma von 1990.

Mich plagen da ganz andere Sorgen. Als Deutscher im argentinischen Fan-Block, kann das gut gehen? Könnte ich meine Freude über ein deutsches Tor überhaupt zeigen? Ich meine: ungestraft? Eine deutsche Fahne schwenken? Wohl kaum. Ich sehe mich schon im Stadion, inmitten fröhlich tanzender Argentinier. Ich hingegen: neutral gekleidet, ohne jede Emotion, ein trister metanationaler Fußballbetrachter. Fehlt nur das Goleo-Kostüm.

Meine argentinische Freundin macht sich jetzt doch auf den Weg. Sie will uns Karten besorgen. Ich sitze daheim und warte. Und überlege: warum eigentlich nicht für Argentinien sein? Wenn mir doch der freundliche argentinische Fußballverband ein Ticket zukommen lässt! Und überhaupt: Will ich aufstehen, wenn alle brüllen „Steh auf, wenn du Deutscher bist?“ Was kümmert’s mich, dass wir „ohne Holland“ verreisen? Ich war während der WM schon so oft für Argentinien – kann ich es da nicht noch einmal mehr sein? Also gut: Ab heute bin ich für Argentinien. Der Gedanke will nicht in mein Hirn. Also noch mal, überzeugender: Ab heute bin ich für Argentinien. Argentinien. Argentinien! Argentina! Vamos! Argentina!

Mitten in meinem Rausch klingelt das Telefon. Es ist meine Freundin. Sie ist sauer. Es hat ein unglaubliches Gedränge gegeben wegen der Tickets. Es wurde geschubst und gepöbelt und zu guter Letzt war der argentinische Ticket-Offizielle auch noch unverschämt. Mit anderen Worten: keine Tickets für uns. Und, sagt sie: „Nie wieder Argentinien! Ab heute bin ich für Deutschland.“ Oh Gott. STEFAN KUZMANY