Finnen stapeln tief

Helsinki schraubt die Erwartungen an seine zweite EU-Ratspräsidentschaft zurück. Ehrgeiz bei Energiesicherheit

HELSINKI taz ■ „Into the new Millennium“ hieß das selbstbewusste Motto, als Finnland zuletzt und zugleich erstmals im 2. Halbjahr 1999 die EU-Ratspräsidentschaft hatte. Wichtige Weichen für die Osterweiterung und die militärische Zusammenarbeit wurden gestellt. Jetzt beschränkt man sich darauf, „effektiv und bodenständig“ sein zu wollen, wie Jari Luoto, Verantwortlicher für EU-Fragen im Präsidialamt, sagt.

Vor einigen Monaten noch hatte Helsinki nicht ausgeschlossen, eine Rolle bei der Wiederbelebung der EU-Verfassung zu spielen – um so wichtige Vorarbeit für die deutsche Präsidentschaft im Frühjahr 2007 zu leisten. Überstürzt und ohne Debatte wurde daher das parlamentarische Ratifizierungsverfahren für die Verfassung auf den Weg gebracht. Nun wird man einen Text verabschieden, der wohl nie Realität wird.

Die Einigkeit im politischen Establishment kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass weniger als ein Viertel der FinnInnen den Ratifizierungsschritt gutheißt. Staatspräsidentin Tarja Halonen warnte denn auch davor, mit solcher Symbolpolitik die EU-Verdrossenheit in der Bevölkerung weiter zu stärken.

Wenn schon keine epochale Weichenstellung, so will Finnland in „seinem“ Halbjahr zumindest einige Tagesfragen der Union abhaken. Beispiel Erweiterung: Der Beitritt Rumäniens und Bulgariens soll beim Herbstgipfel endgültig durchgewinkt werden. Finnland stellt mit Olli Rehn den Erweiterungskommissar, und der ist sich einig mit seiner Staatspräsidentin, die zum Thema kürzlich sagte: „Es gibt keine Grenze, wo man zwangsläufig Stopp sagen sollte. Wir Finnen wissen, was die Teilung Europas bedeutete. Solche Mauern wollen wir nicht mehr bauen.“

Aus Finnlands Geografie und Geschichte ist auch ein besonderes Verhältnis zum Nachbarn Russland erwachsen. Das möchte man nun für die Sicherung der europäischen Energieversorgung nutzen. Halonen hat Präsident Putin für den Herbst zu einem EU-Energiegipfel ins südfinnische Lahti eingeladen. Bis dahin will man sich mit Moskau auf ein Abkommen verständigen, das Zweifel an Russlands Zuverlässigkeit als Gaslieferant beseitigen soll. Dann müsste sich die EU nur noch auf die viel beschworene gemeinsame Energieaußenpolitik einigen. Ebenso wie andere EU-Staaten hat auch Finnland bislang seine Gas- und Stromversorgung aus dem Osten exklusiv vertraglich gesichert. Energiepolitische Zukunftsimpulse sind von einem Land, das auf Atomkraft setzt, eher nicht zu erwarten.

Eine Tradition wird Finnland von seiner ersten Präsidentschaft übernehmen. So wird es zum Ärger Berlins auch jetzt wieder keine deutsche Übersetzung aller Dokumente geben. Dafür wird man unter www.eu2006.fi/ EU-Neuigkeiten auf Lateinisch finden. REINHARD WOLFF