: Rechte Stimmen im Vakuum
EXTREMISMUS Wie die NPD im Osten von der allgemeinen Zeitungskrise profitiert
VON ANDREAS SPEIT
Sie heißen: „Eichsfelder Stimme“, „Ostthüringer Bote“, „Der Nordthüringer Bote“, „Der Rennstieg Bote“, „Wartburgkreis Bote“, „Südthüringer Stimme“ oder einfach „Bürgerstimme“. Diese Zeitungen sind jedoch keine „Bürgerzeitungen“. Kein einfacher Bürger aus den Regionen gibt diese Blätter heraus. In Thüringen hat stattdessen die NPD eine Medienkampagne gestartet. „Mit den Zeitungen ist die NPD im Bundesland flächendeckend präsent“, betont Stefan Heerdegen vom Mobit (Mobile Beratung in Thüringen für Demokratie, gegen Rechtsextremismus). Nur „kleine Flecken“ würde der Landesverband um Frank Schwerdt nicht abdecken.
Seit Jahren betont der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt: „Bürgernähe zeigen, vor Ort siegen: Auf kommunaler Ebene kann die Ausgrenzung unterlaufen werden.“ Mit den Zeitungen, so erklärt auch der NPD-Multifunktionär Patrick Wieschke aus Eisenach ganz offen, soll die „Graswurzelarbeit“ intensiviert werden. Über 160.000 Exemplare will die NPD unlängst an die Leser gebracht haben, auch um eine „echte Gegenöffentlichkeit zur gleichgeschalteten Medienlandschaft“ zu schaffen.
Heerdegen befürchtet: „Die NPD stößt hier in ein Vakuum.“ Denn im ländlichen Raum sinkt die lokale Berichterstattung stetig – der Trend läuft schon länger und hält an. „Im Osten sinken die Auflagen von Tageszeitungen schneller“, hebt Christian Eggert vom Bund Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hervor. Die Chance der NPD liegt in einem Dilemma der Medien. „Untersuchungen zeigen, dass ein großes Informationsbedürfnis zu lokalen Geschehnissen besteht“, erklärt Eggert, hebt jedoch auch hervor: „Der wirtschaftliche Druck erschwert Redaktionen, die Lokalredaktionen zu halten.“ Nicht zu vergessen sei, dass Redaktionen oft nicht mehr das Geschehen vor Ort moderierten.
Auf dem NPD-Landesparteitag 2009 hatte Wieschke, einer der Geschäftsführer der NPD-Monatszeitung „Deutsche Stimme“, die Idee des Regionalzeitungsprojekts vorgestellt. Neu ist sie nicht. In Thüringen gab die NPD unregelmäßig den „Rennsteig Boten“ und den „Wartburgkreisboten“ heraus. In Mecklenburg-Vorpommern erstellte die NPD die Wurfsendung „Der Inselbote“ mit einer Auflage von bis zu 58.000 Exemplaren. Der Ton ist immer volksnah.
Im „Wartburgkreis Boten“ etwa wird sich so für Kleingärtner starkgemacht und sogleich vor „Überfremdung“ gewarnt. In der Region sitzt Wieschke auch im Stadtrat von Eisenach. Mit den Zeitungen will Wieschke denn auch sichern, dass „kommunalpolitische Initiativen der Mandatsträger der NPD“ breiter bekannt werden.
„Ich befürchte, dass die Botschaften ihre Leser finden“, sagt Heerdegen. Der Mitarbeiter von Mobit betont mit Sicht auf die NPD, das sie nur knapp mit 4,7 Prozent an dem Einzug in dem Landtag scheiterten.
Mit Blick auf die allgemeine Medienentwicklung hebt Eggert hervor: „Der politische Meinungsbildungsprozess kann gefährdet sein, wenn dann nur ‚nationale Zeitungen‘ als einzige lokale Themenaufgreifen. Mit Meinungsvielfalt hat das nichts mehr gemein.“
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