Alternative Zeitung ohne Perspektive

Zu wenige Anzeigen, zu geringe Auflage, zu wenig Geld: Der „Göttinger Wochenzeitung“ droht das Ende. Das genossenschaftlich organisierte Wochenblatt erschien nur fünf Monate lang in der Universitätsstadt

Fünf Monate nach ihrem Start steht die Göttinger Wochenzeitung bereits vor dem finanziellen Aus. Das Blatt sei am gestrigen Freitag voraussichtlich zum letzten Mal erschienen, sagte der Geschäftsführer der Verlagsgenossenschaft, Jens Wortmann, zur taz. An die Mitglieder der Genossenschaft verschickte Wortmann eine E-mail: „Eine Insolvenzanmeldung in der kommenden Woche ist unumgänglich – wenn nicht bis dahin ein Wunder geschieht.“

Als wesentlichen Grund für die Misere nannte Wortmann zu geringe Einnahmen aus dem Zeitungs- und vor allem aus dem Anzeigenverkauf. Zu wenige Kunden seien bereit gewesen, das Wochenblatt durch Inserate zu unterstützen. Die verkaufte Auflage lag zuletzt konstant bei lediglich 1.000 Exemplaren. Auch die Versuche von Redaktion und Genossenschaft, Geld durch so genannte „Buchstaben-Patenschaften“ einzuwerben, seien „weitgehend erfolglos“ geblieben, räumt Wortmann ein.

Bereits in der nächsten Woche sowie noch einmal Ende Juli brauche die Zeitung zur Überbrückung des Sommerloches unbedingt frisches Kapital. Wortmann rief zu Spenden zum Erhalt der Zeitung auf. Wenn bis zum 5. Juli 15.000 Euro auf ein Sonderkonto eingezahlt würden, ließe sich die Insolvenz noch abwenden. Eine weitere „vage Option“ bestehe darin, dass die Genossenschaft gemeinsam mit einem Insolvenzverwalter kurzfristig ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept für die Zeitung entwickle.

Die Göttinger Wochenzeitung erscheint seit Anfang Februar mit einem Umfang von 32 Seiten. Die acht RedakteurInnen sowie freie Mitarbeiter berichteten aus regionaler Perspektive über die Universitätsstadt in Südniedersachsen. Das Blatt ist nach eigenen Angaben die einzige genossenschaftlich organisierte Lokalzeitung Deutschlands.

Als Vorbild dienten die genossenschaftliche Strukturen der taz und der Jungen Welt. Jede Person, die mindestens einen Anteil im Wert von 100 Euro zeichnete, erwarb das Stimmrecht in der Genossenschaftsversammlung und wurde auf diese Weise Mitherausgeber.

Beim Start der Zeitung waren knapp 500 Anteile gezeichnet, zudem stand Startkapital aus Krediten und Fördermitteln zur Verfügung. „Wir wollen eine große Lücke in der örtlichen Medienlandschaft schließen“, beschrieb der beteiligte Journalist Jürgen Bartz damals das Vorhaben.

Der Zeitungsmarkt in Südniedersachsen wird seit Jahrzehnten maßgeblich von einer einzigen Zeitung bestimmt, dem Göttinger Tageblatt. Die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine (Kassel) erscheint zwar mit einer Göttingen-Seite, diese Zeitung ist in der Stadt jedoch nur wenig verbreitet. Zwei wöchentliche Anzeigenblätter und mehrere Zeitgeist-Magazine komplettieren das schmale Angebot.

REIMAR PAUL