„Wir werden zum Aufhören gezwungen“

GEBURTEN Die freiberuflichen Hebammen stehen vor dem Aus – Mahnwache auf dem Marktplatz soll Politik zum Handeln bewegen. Hoffnung können sich indes die Beleggeburts-Helferinnen machen

Rund 100 AktivistInnen haben gestern eine Mahnwache auf dem Bremer Marktplatz abgehalten um auf die Notlage der freiberuflichen Hebammen aufmerksam zu machen.

Deren finanzielle Situation hat sich seit Anfang Juli erheblich verschlechtert: Von 2.370 auf 3.689 Euro sind die jährlichen Haftpflichtkosten für Hebammen erhöht worden. Zehn Prozent der privaten Geburtshelferinnen haben seitdem bundesweit ihren Beruf aufgegeben. In Bremen halten die Hebammen bislang noch durch. Für Valerie Stabel, Vorsitzende des Bremer Hebammenverbandes, ist es allerdings nur eine Frage der Zeit, bis sich das auch hier ändern wird – „wenn die Politik nicht schnell handelt“.

Knapp 20 freiberufliche Hebammen gibt es in Bremen, die Geburten begleiten. Sie garantieren werdenden Müttern individuelle Betreuung. Bis zu 60 Stunden in der Woche arbeiten viele von ihnen, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Schon vor der Haftpflichterhöhung, so Stabel, sei das Lohnverhältnis „desaströs“ gewesen.

Einzig für die drei Bremer Beleghebammen zeichnet sich eine Lösung ab. Sie sind freiberufliche Hebammen, die Frauen zur Geburt ins Klinikum Bremen Nord oder das Diako begleiten. Im Diako weiß man das zu schätzen: „Die Beleghebammen sind in unserem Team willkommen“, sagt Sprecher Ingo Hertel. Und kündigt Unterstützung für die Geburtshelferinnen an. Es gebe gewisse Spielräume, in denen das Diako noch etwas bewegen könne, so Hertel. Wie die genau aussehen, wolle man Mitte Juli bekannt geben.

Dringend nötig ist Unterstützung laut Sabine Stiefel, eine der drei Bremer Beleghebammen. „Im Moment arbeite ich nur noch aus Leidenschaft“, sagt sie. Rund 30 Geburten begleitet sie im Jahr, 237 Euro bekommt sie pro Geburt. Das sind fünf Euro weniger seit sich der Spitzenverband der Krankenkassen und die Berufsverbände der Hebammen am Dienstag in einem Schiedsverfahren auf einen neuen Leistungskatalog geeinigt haben. „Wir werden zum Aufhören gezwungen“, sagt Stiefel.

Auch Valerie Stabel vom Bremer Hebammenverband ist sich sicher: „Bei diesen Konditionen wird keine der Beleghebammen weitermachen“. Sie hoffe auf Hilfe aus der Politik. Anfang Juli hatte die Gesundheitsministerkonferenz der Länder einstimmig beschlossen, die Bundesregierung zur Unterstützung der freiberuflichen Hebammen aufzufordern – auf Antrag Bremens. „Jetzt ist die Politik gefordert, zu ihrem Bekenntnis quer durch alle Fraktionen und Parteien Lösungen zu finden“, so Stabel.

Die Hebammen werden dafür bundesweit demonstrieren. Bremen war gestern die zweite Station einer bundesweiten Protestaktion des Deutschen Hebammenverbandes. Mahnwachen wird es in allen sechszehn Bundesländern geben. MARCEL WAALKES