Abschied von der Droge

Rauchverbote sind im Kommen, dafür sorgen die norddeutschen Gesundheitsminister. Der Tabakindustrie aber scheint das nichts auszumachen. Und ganz gelassen ist man bei der Lübecker Firma von Eicken, dem letzten Familienbetrieb im Norden

Juniorchef von Eicken: „Man fragt sich manchmal: Ist das noch ein legitimes Produkt?“

von Benno Schirrmeister

Johann Wilhelm von Eicken macht das Gleiche, was sein Vater auch gemacht hat. Und sein Großvater und dessen Vater und selbst dessen Urgroßvater schon. Johann Wilhelm von Eicken produziert Tabakwaren: Zigaretten, Zigarren, Pfeifentabake. Und sein Sohn, Marc, ist bereits vor Jahren als Junior-Chef in die Firma eingetreten. Die heißt natürlich „von Eicken“ und hat ihren Hauptsitz in Lübeck. „Wir fühlen uns hier nicht unwohl“, sagt Marc von Eicken. Da sind die A1 und die A20 und die A7 ist auch nicht weit weg – also stimmt schon mal die Logistik. Und 1982, als man die Fabrik in der Hamburger Hoheluftchaussee aufgelöst und den Betrieb hierher verlagert hat, gab es noch Zonenrandförderung. Das war bereits der zweite Umzug des Unternehmens: Das Stammhaus stand im 18. Jahrhundert in Mühlheim an der Ruhr. Mittlerweile arbeiten hier in Lübeck-Schönböcken 240 Menschen. Und fast genauso viele sind im Werk in Thüringen beschäftigt.

Es ist Donnerstag und anderswo ereignen sich tabakpolitisch wichtige Dinge. In Berlin zum Beispiel hört der Bundestag gerade das Tabakwerbeverbotsgesetz in der ersten Lesung. Etwa gleichzeitig tritt in Dessau die 79. Gesundheitsministerkonferenz zusammen. Der gehören die GesundheitsministerInnen der 16 Länder an. Und der Bundesminister. Mit den Beratungen zu Tagesordnungspunkt 11.5 werden sie erst am Freitagabend beginnen: Unter dem Titel „Verbesserung des Nichtraucherschutzes“ firmiert ein Antrag der Bremer Senatorin Karin Röpke (SPD), an dem im Detail noch ein wenig gewerkelt wird, bevor man ihn dann, abends, einstimmig verabschiedet. Es geht darin um Rauchverbote.

Die Ähnlichkeit liegt in der Augenpartie. Beide von Eickens haben relativ kleine, tief liegende Augen, braun der eine, blau der andere, der Vater hat schlohweißes glattes Haar, das des Sohns ist braun-rötlich und gewellt. Der Konferenztisch ist aus dunklem Holz, die Lampenhalterung darüber war einmal der Balken einer alten Tabakwaage, „das älteste Stück im Haus“, sagt von Eicken senior, aus den 1770er-Jahren, noch vom Firmengründer selbst benutzt, und dass sein Vater den umfunktioniert habe. Jetzt steckt er sich auch eine Zigarette an, aus der eigenen Produktion versteht sich, eine ohne Zusatzstoffe: „Wir glauben, dass immer mehr in dieser Richtung nachgefragt wird“, erklärt er. „Nicht dass das jetzt gesund wäre…“ Das sei es nicht. Das wisse der Konsument aber auch. Wenn man die aktuelle Stimmung kennt, könnte man erwarten, dass die von Eickens Trübsal bliesen. Vergrämt dasäßen. Das tun sie aber nicht.

Der politische Druck, das sei „ein unschönes Gefühl“, sagt immerhin der Juniorchef. „Man fragt sich manchmal: Ist das noch ein legitimes Produkt?“ Sonst ist die Lage aber entspannt. Das Werbeverbot? Das trifft ohnehin nur die großen mit entsprechendem Budget, „da wird eher etwas Waffengleichheit hergestellt“. Der Absatz? Nein, da haben Verbote kaum Einfluss, „wir kennen das aus Spanien beispielsweise“, in keinem anderen Land mache man mehr Umsatz als in Spanien. „Der deutsche Markt ist zwar wichtig, aber nicht mehr so entscheidend.“ Man hat bei den Discountern einen Fuß in der Tür. Und man hat, rechtzeitig, auf Export gesetzt: Nach ganz Europa, seit die Staatsmonopole in der EU gefallen sind. In den nahen und fernen Osten. Und sogar nach Südamerika. Dorthin wo der Tabak wächst.

236 Jahre ist das Haus von Eicken alt. Die Gelassenheit schöpft sich aber nicht nur aus dem Wissen, dass die Firma schon Kriege und Revolutionen überstanden hat. Auch bei den Deutschlandfilialen der Tabakmultis in Hamburg sieht man keinen Grund zur Aufregung: Die Imperial Tobacco-Aktie ist Freitagabend an den deutschen Börsen sogar noch auf den Wochenhöchststand von 23,66 Euro geklettert. Und der Kurs von British American Tobacco steigt seit einem Jahr stetig an. Wenn die Verbotsdrohungen so wenig ökonomische Auswirkungen haben, sind sie dann nicht ohnehin Papiertiger?

„Jeder Raucher“, sagt die Bremer Gesundheitssenatorin, „muss selber entscheiden, was er tut.“ Notwendig sei „dass wir die Nichtraucher schützen“, so Röpke. Schließlich stürben jedes Jahr 3.300 Menschen durch Passivrauchen. Was auch so eine Zahl ist, bei der man sich denken kann, dass es unheimlich kompliziert gewesen sein muss, sie zu erheben. „Es geht bei den Verboten“, betont die SPD-Politikerin, „um die besonders sensiblen Bereiche“: Um Krankenhäuser also und Pflegeeinrichtungen, Altenheime, Schulen und Kindergärten. Das hatte sie in ihrem Antrag ausgeführt, und so hat es die GMK schließlich auch ins Protokoll übernommen. Was abzusehen war, weil schon im Vorfeld Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ihre Unterstützung zugesagt hatten.

Dass sich ausgerechnet die norddeutschen Bundesländer gegen den Tabak so stark machen, ist wirtschaftshistorisch ein Kuriosum (siehe Kasten). Werden nun die letzten Reste des einst blühenden Wirtschaftszweigs wegbrechen? „Da kann ich für uns eine positive Botschaft aussenden“, sagt Marc von Eicken. Man sei „glücklich mit dem Setup in Lübeck“, die Produktion ins Ausland zu verlagern „lohnt sich nicht“. Zigarettenproduktion ist nicht personalintensiv, verlangt aber Präzision. Schon „ein kleiner Rückgang in der Leistung“ könne Einsparungen „schnell überwiegen“. Und dann ist da noch das Image: „Wie bei Schweizer Uhren“ sei das, „eine Zigarette, die in Deutschland hergestellt worden ist, ist mehr wert“. Wahrscheinlich lässt sich der Satz nicht verallgemeinern. Durchaus möglich, dass er nur für Familienunternehmen gilt.