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Horst Dietrich, Alternativ-ImpresarioDer scheidende Idealist

Horst Dietrich, 75

stammt gebürtig aus Hamburg-Altona, studierte Kunst und ist der Gründer und Geschäftsführer der Fabrik.Foto: dpa

Von außen betrachtet ging es um das zukünftige Profil des Kultur- und Kommunikationszentrums „Fabrik“ in Hamburg-Ottensen, für Horst Dietrich aber ging es um „die Sache“ und darum, die Sache ohne Abstriche zu retten.

Dietrich hat die Fabrik vor 39 Jahren gegründet und ist seitdem ihr Geschäftsführer. In all den Jahren hat er festgehalten an der Ursprungsidee: Nicht nur ein Veranstaltungsort für Konzerte sollte die Fabrik sein, sondern ein Ort, an dem es ein kostenloses Angebot für Kinder- und Jugendliche aus dem Stadtteil gibt, sich zum angeleiteten Theaterspielen, Kochen oder Töpfern zu treffen. Leute aller sozialer Milieus sollten kommen, um sich, die anderen und die Kultur kennen zu lernen. Es war die „Kultur für alle“-Idee der 1970er Jahre.

Die Idee der Hamburger Kulturbehörde im Mai 2010 war, dass Dietrich seinen Posten räumen und ein neuer Geschäftsführer ein Sanierungskonzept erarbeiten soll, um die defizitäre Bilanz der Fabrik zu verbessern. Dietrich sollte bis 30. September gehen, sonst würde die Behörde den jährlichen Zuschuss von 549.000 Euro zur Disposition stellen. Dietrich sah seine Sache in Gefahr: Mehr Geld zu generieren hieße, den Anspruch des Konzertprogramms oder die Qualität der Kinder- und Jugendarbeit herunterzuschrauben.

Dietrich mobilisierte Politiker, Freunde, Anwohner, sein Anwalt führte die Verhandlungen mit der Behörde. Die verkündete Ende der Woche eine Einigung: Die Behörde will an den Zuschüssen festhalten, das Sanierungskonzept soll nur noch eine Empfehlung sein und Dietrich geht erst im Sommer 2011. Das hatte der 75-Jährige sowieso vorgehabt.

Am Tag nach der Einigung hat Dietrich sein Handy abgestellt und ist nicht in der Fabrik erschienen. Wahrscheinlich weilt er in seinem Resthof in Ostseenähe, 140 Kilometer entfernt von Hamburg, wo er alleine mit seinen Katzen, Hühnern und Schafen lebt. Denn auch das ist Dietrich: Ein studierter Künstler, der die Ruhe schätzt, der die 140 Kilometer zwischen Arbeits- und Wohnort als Puffer braucht. Der sich dennoch schwer tut, loszulassen, obwohl auch er weiß, dass „ein personeller Wechsel dem Haus gut tun wird“. KLI

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