BERNWARD JANZING ÜBER DIE SICHERHEIT VON AKWS
: Risiko Laufzeitverlängerung

Wie viel Jahre hätten Sie denn gern? Vielleicht 8? Oder lieber 12? Vielleicht ja sogar satte 28? Die Debatte um die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke in Deutschland ist zu einer absurden Zahlenspielerei verkommen: Jeder Politiker positioniert sich in diesen Tagen selbst auf einer Skala der Verantwortungslosigkeit, die aktuell von 0 bis 28 reicht. Die 28 erlangt nur, wer die Provokation ebenso liebt wie den Zynismus.

In diesem politischen Schaulaufen geht die wichtigere Debatte um Sicherheitsfragen der Atommeiler jedoch völlig unter – und das ist hochgefährlich. Denn auch wenn die ganzen Laufzeitverlängerer in der Regierung es nicht wahrhaben wollen: Ältere Meiler bergen in der Regel ein größeres Sicherheitsrisiko als neuere. Das Phänomen kennt man aus dem Alltag: Jedes alte Auto wird anfälliger für Störungen, selbst wenn es gut gepflegt wird. Bei den Atomtechnik kommt hinzu, dass die Reaktorkonzepte heute ganz andere sind als jene aus der Frühzeit der Atomkraft.

Ein Beispiel ist Biblis A: Dem Reaktor des Stromkonzerns RWE fehlt eine externe Notstandswarte, von der aus die Anlage etwa im Brandfall heruntergefahren werden kann. Angesichts des nahen Endes der Laufzeit hatte die Atomaufsicht darauf verzichtet, eine Nachrüstung zu verlangen. Was aber soll bei Laufzeitverlängerung geschehen? Statt sich auf nerviges Zahlenpoker zu beschränken, sollten sich die Propagandisten lieber mal dazu äußern, welche Auflagen sie RWE zu machen gedenken.

Wir brauchen dringend eine Debatte darüber, welche technischen Anforderungen an jene Atommeiler zu stellen sind, die langfristig weiterlaufen sollen. Das ist etwas komplexer, als nur Zahlen zwischen 0 und 28 in die Welt zu posaunen. Aber wer Laufzeiten verlängern will, muss diese Debatte zwingend führen.

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