Briten verkaufen Verschmutzungsrechte

Anders als die Deutschen wollen Großbritannien, Frankreich und Dänemark Kohlendioxid-Zertifikate nicht verschenken

FREIBURG taz ■ Deutschland hatte Angst vor der eigenen Courage – jetzt machen es andere Länder vor: Der britische Umweltminister David Miliband gab gestern bekannt, dass Großbritannien ab dem Jahr 2008 einen Teil seiner Klimagift-Emissionsrechte an die Firmen des Landes versteigern wird. Unternehmen mit Feuerungsanlagen ab 20 Megawatt Leistung brauchen seit 2005 für jede Tonne Kohlendioxid, die sie in die Luft blasen, ein entsprechendes Emissionsrecht – das so genannte CO2-Zertifikat.

Wie die allermeisten EU-Staaten hatte bislang auch Großbritannien seine Zertifikate den Konzernen kostenlos geschenkt. Das ändert sich nun: Der Entscheid der Londoner Regierung beschert dem Staat Zusatzeinnahmen und reduziert zugleich die Mitnahmeeffekte betroffener Konzerne. 7 Prozent der Emissionsrechte werden öffentlich versteigert – was rund 17 Millionen Tonnen CO2 jährlich entspricht. Legt man den aktuellen Zertifikatspreis von 16 Euro je Tonne zugrunde, wird das Königreich dadurch um etwa 270 Millionen Euro jährlich reicher.

Der deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) verzichtete kürzlich – mit der ökonomisch unhaltbaren Begründung, dadurch die Energiepreise zu verteuern. Verschenkt oder verkauft – die Erfahrungen aus der ersten Handelsperiode zeigen, dass das der Strompreisentwicklung egal ist. Denn egal, wie die Konzerne zu den Zertifikaten kommen – eingepreist werden sie so oder so.

Diese Erfahrung missfällt den Finanzministern der EU-Staaten zunehmend. Deshalb sind die Briten nicht die Einzigen, die Emissionspapiere verkaufen wollen. Auch in Frankreich deutet sich an, dass der Staat, statt wie bisher alle Rechte zu verschenken, diese verkaufen will. Ohnehin dürfen nach EU-Vorgaben nur zehn Prozent der gesamten Emissionsrechte versteigert werden. Auch Dänemark und Irland werden vermutlich Zertifikate verkauft. Dänemark hatte bereits in der ersten Stufe des Kioto-Protokolls fünf Prozent seiner Emissionsrechte versteigert. Diskutiert wird der anteilige Verkauf zudem in Luxemburg und Schweden. Nicht nur für den Staatshaushalt, sondern auch für den Klimaschutz wird der Verkauf attraktiv, wenn der Staat das eingenommene Geld für entsprechende Investitionen nutzt. Dänemark hat solche Pläne bereits geäußert.

Zum Start der ersten Handelsperiode 2005 hatten 4 von 25 Staaten versteigert – neben Dänemark auch Ungarn, Litauen und Irland. Dass Irland diesmal ähnlich vorgehen wird, gilt als sicher. Auch Litauen hatte den Verkauf von 1,5 Prozent der Rechte überwiegend mit den Kosten der Administration begründet. Eigentlich hätten die so genannten Allokationspläne – nationale Vorschriften für den Handel mit CO2-Zertifikaten – bis zum 1. Juli Brüssel zur Genehmigung vorgelegt werden müssen. Doch bislang gingen lediglich die Unterlagen aus Estland und Deutschland bei der EU ein. Im Juli dürften eine ganze Reihe folgen.

Vielleicht ist „Klimaprimus“ Deutschland mit seiner „Geschenkpraxis“ dann bloß noch der Klassentrottel.

BERNWARD JANZING