Outings in der Schule

BADEN-WÜRTTEMBERG Eine Gegenpetition befeuert die Debatte um Homosexualität im Bildungsplan

STUTTGART taz | Darf Toleranz gegenüber Homosexualität an Schulen gelehrt werden? Oder muss sie das sogar? Sie muss, findet Bastian Burger aus Esslingen. Mit einer Gegenpetition bietet er dem Lehrer Gabriel Stängle und dessen Petition „Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“ jetzt Paroli.

Stängle fürchtet eine „Umerziehung“ an Schulen, weil „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ im baden-württembergischen Bildungsplan verankert werden soll. Burger hingegen hält es für wichtig, bei Schülern „ein Bewusstsein zu schaffen, wonach Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle nichts ‚Abnormales‘ sind“. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) zeigte sich gestern in Stuttgart überrascht von der Heftigkeit der Diskussion, „die doch eigentlich gar keine sein sollte“. Der offene Umgang mit Homosexualität dürfe keine solche Welle auslösen. „Viele Lehrer haben inzwischen Angst, sich zu outen“, sagte Stoch: „Mal ehrlich: bei dieser Diskussion nicht ohne Grund.“

Die Landeskirchen lehnten am Wochenende eine Überbetonung sexueller Vielfalt im Bildungsplan ab. Stoch hätte sich gewünscht, dass sie sich von der Petition distanzieren. Schließlich lese er in vielen Papieren der Kirchen vieles über Toleranz. Er bot den Kirchen gestern das Gespräch an. Mit dem Initiator der Petition wolle er aber nicht sprechen, sagte Stoch auf Anfrage. „In der ursprünglichen Fassung der Petition werden historisch eindeutig konnotierte Begriffe verwendet“, sagte Stoch. Da stelle sich die Frage, ob eine Diskussion nicht sinnlos sei.

Bastian Burger kritisiert in seiner Gegenposition vor allem Stängles Argumentation, wonach die höhere Selbstmordrate unter homosexuellen Menschen mit der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe zusammenhänge. Das sei verquer. Burger sieht den Grund in solch massiver Ausgrenzung, wie Stängle und seine Unterstützer sie formulieren. Schon in der ersten Woche hat die Gegenpetition knapp 60.000 Unterstützer gewonnen.

LENA MÜSSIGMANN