„Ein zentraler Flughafen wäre effizienter“

Verkehrsexperte Karl Otto Schallaböck hält die Wirtschaftskraft von regionalem Luftverkehr für überschätzt

taz: Herr Schallaböck, Nordrhein-Westfalen hat Großflughäfen wie Düsseldorf und Köln. Hinzu kommen noch kleinere Regionalflughäfen wie Paderborn und Dortmund. Besteht ein Überangebot?

Karl Otto Schallaböck: NRW hat eine dichte Flugplatzstruktur, aber auch entsprechend hohe Bevölkerungszahlen. Wenn man bedenkt, dass das Saarland bei einer Million Einwohner einen Flughafen hat, dann müssten wir 16 haben. So gesehen besteht in NRW kein Überangebot.

Ist die Struktur aus Sicht der Flughäfen wirtschaftlich?

Die kleinen Flugplätze beispielsweise in Weeze werden kaum genutzt. Da landen im Schnitt am Tag nur ein paar Maschinen von Ryan Air. Die Passagierzahlen liegen dementsprechend bei etwa 650 bis 700 am Tag. Da ist eine Wirtschaftlichkeit nur schwer möglich, denn unabhängig von der Zahl der Passagiere muss der Flughafen die Landebahn pflegen, den Tower besetzen sowie eine Flughafen-Feuerwehr bereit halten.

In vielen Fällen besteht allerdings ein starkes Interesse örtlicher und regionaler Größen, auch bei sich einen tollen Flughafen zu haben.

Könnte der Ausbau von ein oder zwei größeren Flughäfen ein Weg zu mehr Wirtschaftlichkeit sein?

Ein Flugbetrieb auf wenige zentrale Punkte hin wäre natürlich effizienter. Doch der freie Marktzutritt hat zu den bestehenden Strukturen geführt. Regional- und Lokalpolitiker sehen Flughäfen als Arbeitsplatzgaranten an. Sie nehmen an, dass nicht nur der Flugbetrieb selber Arbeitsplätze schafft, sondern auch Wirtschaftskraft in die Region bringt, weil Fluggäste Leistungen in der Nähe des Flughafens in Anspruch nehmen, beispielsweise dort tanken oder sich die Haare schneiden lassen. Tatsächlich aber kommt es vielfach bloß zu einer räumlichen Verschiebung. Jemand, der öfter fliegt, lässt sich vielleicht öfter die Haare am Flughafen schneiden, aber er geht insgesamt gesehen nicht öfter zum Friseur. Vielfach macht man sich etwas vor, was die Wirtschaftskraft von Flughäfen betrifft.

Führt die schlechte Wirtschaftlichkeit nicht automatisch zu einer Konzentration?

Der Flugmarkt ist enorm dynamisch. Aus Gesichtspunkten der Vermarktbarkeit besteht Wachstumspotenzial. Bisher liegt die durchschnittliche Zahl der Flüge pro Einwohner in Deutschland erst bei einem halben Flug pro Jahr und erscheint entsprechend steigerungsfähig. Im Moment profitieren die Flughäfen vom Billigflieger-Boom. Köln-Bonn ist zum wichtigsten Drehkreuz für diese Flieger geworden und hat nun ein zweites Standbein neben dem Frachtverkehr. Das geht allerdings auf Kosten der Anwohner, die jetzt nachts und tagsüber unter Fluglärm leiden.

Wie sieht die Lage der Flughäfen in NRW in 20 Jahren aus?

Berechnungen gehen davon aus, dass der Luftverkehr im Jahr um fünf Prozent wächst. Dann hätte er sich in 20 Jahren verdreifacht. Davon werden die Großen profitieren, aber die Kleinen auch – zu Lasten der Umwelt. Kein anderer Verkehrsträger belastet die Umwelt so wie Flugzeuge.

INTERVIEW:
K. HEIMEIER