Zitterpartie für Mazedoniens Regierung

Heute finden Parlamentswahlen statt. Koalition aus Sozialisten und größter Albanerpartei muss um den Sieg bangen

SARAJEVO taz ■ Für Mazedonien steht bei der heutigen Parlamentswahl viel auf dem Spiel. Der Großteil der Bevölkerung strebt zwar so schnell wie möglich die Mitgliedschaft in Europäischer Union und Nato an. Doch die politische Kultur des Landes könnte dem im Wege stehen. Zunächst muss die Wahl ordnungsgemäß ablaufen. Sollte es wie bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2005 zu Wahlbetrug oder gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen, könnte das den Integrationsprozess verzögern.

Vlado Bučkovski, Ministerpräsident und führender Politiker des „Sozialdemokratischen Bundes“ (SDSM), der stärksten Kraft in der Mitte-links-Koalition, rief in den letzten Tagen deshalb immer wieder zur Ruhe auf. Er möchte die Erfolge seiner Regierung nicht durch unbedachte Aktionen von militanten Parteianhängern gefährden lassen.

Bučkovskis Bilanz kann sich sehen lassen. In den letzten vier Jahren ist es gelungen, das Land an die EU und die Nato zu binden. Schon für 2008 ist mit Kroatien und Albanien die Mitgliedschaft in der Nato möglich. Und die Mitgliedschaft in der EU ist in Aussicht gestellt. Es ist der Regierung Bučkovski zudem gelungen, die ethnischen Konflikte zwischen der albanischen Minderheit (ein Viertel der zwei Millionen Einwohner) und der slawisch-orthodoxen Mehrheit (rund 64 Prozent) abzuschwächen. Das von der internationalen Gemeinschaft vermittelte Abkommen von Ohrid, das die bewaffneten Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen 2001 beendete, wurde in dieser Legislaturperiode im Großen und Ganzen umgesetzt. Albanisch ist neben Mazedonisch als offizielle Sprache anerkannt. Die Gemeindereform ist vorangekommen, wirtschaftlich geht es aufwärts.

„Aber nicht in dem Maße, wie wir es uns wünschen“, sagt der EU-Vertreter im Lande, Jesper S. Thomsen. Die Zuwachsraten seien höher als der EU-Durchschnitt, doch die Wirtschaft müsste viel schneller wachsen, um die Arbeitslosigkeit von 36 Prozent zu bekämpfen. Wuchernde Bürokratie und Korruption seien ein großes Problem.

Die nationalistisch-konservative Oppositionspartei VMRO-DPMNE schlägt in diese Kerbe. Mazedonien sei in Armut und Korruption ertrunken, die Erwerbslosenquote sei gestiegen, beklagt Parteichef Nikola Gruevski. Der Politiker möchte den außenpolitischen Kurs fortsetzen, jedoch die Wirtschaftsreformen beschleunigen.

Auf die Frage, wie, bleibt er vage. Auch die VMRO, die seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 mehrmals die Regierung stellte, hat versagt. Trotzdem hat die Partei wieder an Popularität gewonnen und könnte nach letzten Umfragen die regierenden Sozialisten schlagen. Um eine Regierung zu bilden, braucht Gruevski wie auch die Regierungspartei jedoch einen starken Verbündeten aus dem albanischen Lager.

Die albanischen Parteien sind sich spinnefeind, denn beide möchten regieren. Im Wahlkampf kam es zu Schlägereien und anderen Zwischenfällen. Die Sozialisten koalieren bisher mit der DUI, der „Demokratischen Union für Integration“, die bei den Wahlen 2002 stärkste Albanerpartei wurde. Geführt wird sie von Ali Ahmeti, der sich vom politischen Führer des Aufstandes von 2001 zum Friedenspolitiker wandelte. Ahmeti beschuldigt die andere größere Partei der Albaner, die „Demokratische Partei der Albaner“ (DPA), die Zwischenfälle im Wahlkampf provoziert zu haben. Deren Chef Arben Xhaferi beklagt die Benachteiligung von Albanern und strebt eine Koalition mit der VMRO an, um die Interessen der Albaner „besser zu vertreten“.

Während die Sozialisten bei den slawischen Mazedoniern an Stimmen einzubüßen scheinen, könnte die DUI zulegen, so die Prognosen. Kleinere Parteien könnten den Ausschlag geben. Die Liberaldemokraten (LDP) unterstützen die Sozialdemokraten, andere Kleinparteien tendieren zum Machtwechsel. Die 1,7 Millionen Wahlberechtigten müssen sich zwischen 2.700 Kandidaten aus 33 Parteien oder Listenverbindungen entscheiden, um die 120 Sitze zu besetzen. ERICH RATHFELDER