Kaufrauschjahr 2006

DIW erhöht Konjunkturprognose für 2006. Trotzdem überwiegt wegen Mehrwertsteuererhöhung Skepsis

BERLIN taz ■ Die deutsche Wirtschaft wächst in diesem Jahr mit einem Plus von 1,8 Prozent stärker als bisher erwartet. Zu diesem Ergebnis kommt das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) aus Berlin, das gestern seine Sommergrundlinien für die Jahre 2006 und 2007 veröffentlichte. Anders als in den Vorjahren sorge neben dem weiterhin sehr dynamischen Außenhandel (plus 0,3 Prozent in diesem Jahr ) vor allem eine gestärkte Binnenkonjunktur für bessere Wirtschaftszahlen. Damit gewinne das Wirtschaftswachstum nicht nur an Höhe, sondern auch an Breite, loben die Wirtschaftsforscher.

Eine neue Konsumklimastudie des Marktforschungsinstituts Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) stützt die Prognose der Kollegen vom DIW. Im Juni stieg demnach die Bereitschaft der Verbraucher zu Großeinkäufen – zum zweiten Mal in Folge kletterte der Index auf seinen höchsten Wert seit 1980.

„Der neue Schwung könnte jedoch von kurzer Dauer sein, denn die hohe Anschaffungsneigung ist weniger Ausdruck von Konsumlust als vielmehr Skepsis vor der bevorstehenden Mehrwertsteuererhöhung“, sagt Rolf Bürkl, Autor der GfK-Studie. Diese Einschätzung deckt sich mit den Prognosen der DIW-Experten für 2007: Dann nämlich erwarten die Experten bereits wieder ein deutlich geringeres Wachstum – nur noch 1,4 Prozent.

Ähnlich verhalten sind die Aussichten für die Entwicklung des Arbeitsmarktes. Zwar verzeichnet die DIW-Untersuchung einen leichten Rückgang der Arbeitslosenquote von 11,2 des Jahres 2005 auf 10,2 Prozent in diesem Jahr. Aber mit einem erwarteten Wert von 10,1 Prozent für 2007 gerät nach Meinung der Berliner Wirtschaftsexperten der positive Trend schon wieder ins Stocken.

„Der Regierungskurs ist sehr scharf auf Haushaltskonsolidierung getrimmt. Und das wird beim Wirtschaftswachstum deutliche Spuren hinterlassen“, urteilt Stefan Kooths, Ökonom des DIW. Nach seiner Meinung wäre das Wachstum in Deutschland im kommenden Jahr ohne Mehrwertsteuererhöhung über die 2-Prozent-Marke gestiegen. Um einen nachhaltigeren Wachstumspfad zu erreichen, müsse der Defizitabbau zugunsten von mehr Beschäftigung zurückstehen. „Schließlich wollen sich die beiden Volksparteien laut ihres Koalitionsvertrages am Abbau der Arbeitslosigkeit messen lassen“, so Kooths. Die DIW-Ökonomen fordern daher auch einen flexibleren Umgang in der Lohnpolitik. Betriebsbedingte Lohnerhöhungen in erfolgreichen Branchen dürften kein Tabu bleiben.

Allerdings kann das DIW der beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung auch einen positiven Effekt abgewinnen: Die Ökonomen glauben, dass es Deutschland im kommenden Jahr gelingen wird, das Haushaltsdefizit zum ersten Mal seit 2001 auf weniger als 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken – was den Maastricht-Kriterien entsprechen würde. Die Mehrwertsteuererhöhung werde dazu beitragen, den Fehlbetrag von 3,3 Prozent auf 2,4 Prozent zu verringern. VOLKER HOLLMICHEL