Ortstermin: BEIM FOTOSHOOTING FÜR DEN DEUTSCHEN BAUERNKALENDER
: Sexy durch die Augen

„Mei, ganz natürlich, super. Da schau.“ Mit geröteten Wangen taucht der Glamour-Fotograf wieder auf

Im Freilichtmuseum Volksdorf riecht es nach trockener Wiese. Vögel zwitschern, ein Autoradio dudelt, ein Hahn stimmt ein. Aus einem wuchtigen schwarzen Transporter mit Münchner Kennzeichen steigt Mike Seam. Der Glamour-Fotograf ist bereit für das Fotoshooting des Deutschen Bauernkalenders 2011.

Einen Kopf kleiner als seine Assistentin, betrachtet Seam mit verklärtem Blick die Bauernhof-Szenerie: Neben einem Lanz-Traktor liegt ein riesiger Schraubenschlüssel, an der Hofscheune lehnt eine Mistgabel. „Mit der Chantal aus Brandenburg machen wir später die Winterszene“, sagt er und begutachtet die am Boden liegenden Holzskier. „Schnee?“, er grinst, sein Blick wird noch etwas silbriger. „Den machen wir später am Computer rein.“

Vier norddeutsche Kalendermädchen sind dabei. Jetzt ist die zwanzigjährige Niedersächsin Male dran. Neben einem pinken Koffer stehen rote Lack-Stöckelschuhe bereit. Während die Blondine geschminkt und frisiert wird, wählt die Ausstatterin aus dem Koffer Büstenhalter und Höschen. Im Hintergrund wird ein Reetdach erneuert. Dachdecker mit nacktem Oberkörpern hämmern das Schilf fest. Nach dem Umziehen trägt Male Hotpants und ein enges Oberteil. Zuerst soll sie auf einem Holzstuhl posieren. Sie sitzt auf der Vorderkante, die Beine gespreizt, das Gesicht angespannt. Sie zupft am Oberteil und der Hose, die nur ihren halben Po bedeckt.

Fotograf Seam ist unzufrieden mit dem Licht. Sein Team wirbelt um die künftige Ökotrophologie-Studentin herum. Male geht in Position vor einem Knüppelzaun: Brust raus, Bauch rein, das linke Knie leicht angewinkelt – in der Hand eine Heuforke. Die geschwungenen Wimpern gesenkt. Seam drückt mehrmals auf den Auslöser. Dann zieht er sich eine schwarze Decke über den Kopf unter der auch seine Assistentin verschwindet. „Mei, ganz natürlich, super. Da schau.“ Er taucht mit geröteten Wangen wieder auf.

„Wer macht die Requisite?“, fragt Seam. „Die Erdbeeren bitte!“ Ein missmutiger Junge reicht Male einen Flechtkorb voller Erdbeeren im Austausch gegen die Heugabel. „Iss eine, ganz langsam“, dirigiert Seam.

Rechts von ihm lassen sich die Agenturfotografen in den Sand fallen und richten ihre Objektive nach oben auf Male. Die Hammerschläge im Hintergrund verstummen. „Lächle durch die Augen, den Korb natürlicher halten. Ja genau. Und Po nach hinten, Po nach hinten! Ja, sexy durch die Augen!“ Seam fotografiert ohne Unterlass hüpft zur Seite,und knipst weiter.

Pause. Die Obstbauern-Tochter, deren liebstes Hobby das französische Dressurreiten ist, muss stehen bleiben. Darf jetzt aber reden. Sie spricht leise. Spaß mache ihr das bisher. Aufgeregt wäre sie kaum. Ganz nackt sei auch okay, aber so ästhetisch im Bikini fühle sie sich wohl.

Sie war erst skeptisch. Ihr Freund sah den Kalender auf einer Landwirtschaftsmesse. Ihre Botschaft: Landwirtschaft kann modern sein, nicht nur mit so alten Bauernfrauen. „Lass dich nicht stören“, unterbricht sie der Fotograf der Nachrichtenagentur und geht in die Hocke um ihr in Korb und Schritt zu fotografieren. WOLFGANG DENZLER