betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Seit 1999 befinden wir uns im Krieg, aber keiner merkt etwas davon. Das zumindest ist der Befund, der dem neuen Stück von Matthaei und Konsorten zu Grunde liegt. Unter diesem Label arbeitet der Regisseur Jörg Lukas Matthaei seit 13 Jahren mit wechselnden Teams. In seinen letzten Produktionen widmete er sich der Neuvermessung öffentlicher Räume, um Sehgewohnheiten zu durchbrechen, oder Verborgenes sichtbar zu machen. So auch in „Im Apparat der Kriege“, einer dreitägigen interaktiven Inszenierung, die Zuschauer zu Mitspielern macht und per Handy, GPS und Internet durch die Stadt schickt, wo sie auch immer wieder in Situationen geraten, in denen sie den Lauf der Handlung mitbestimmen oder selber zum Akteur der Geschichte werden können. Das Stück infiltriert Berlin mit persönlichen Berichten von Soldaten, Helfern und Journalisten unserer vielen exportierten Kriege, seitdem 1999 die damalige rot-grüne Regierung einem Nato-Einsatz mit Beteiligung deutscher Truppen im Kosovokrieg zugestimmt hatte. Die Performance zieht sich über drei Tage. Jeder Teilnehmer kann selbst entscheiden, was und wie viel er sehen will. Ein- und Ausstieg aus dem Spiel sind jeder Zeit möglich. Während der gesamten Spieldauer werden die Teilnehmer per SMS und E-Mail auf dem Laufenden gehalten. Spielziel ist die Sichtbarmachung des Krieges und seiner Apparate, die in unserem Alltag verborgen sind. (Sophiensäle: „Im Apparat der Krieg“, 17. 1. ab 19:00 Uhr, 24. 1. ab 19:00 Uhr)

Ein bewährtes Theatermittel zur Sichtbarmachung ist auch die Satire, also die überspitze Darstellung bekannter Verhältnisse: des bemühten Zusammenlebens braver Bürger zum Beispiel. Selbiges hat die Dramatikerin Rebekka Kricheldorf in ihrem neuen Stück „Alltag & Extase“ unternommen, das am 17. Januar im Deutschen Theater uraufgeführt wird. Da haben wir es unter anderem mit einem Mann um die 40 zu tun, seiner Tochter, seiner Ex und seinen Eltern. Eines Tages taucht der japanische Lover seines Vaters auf und bringt das fragile Patchworkkonstrukt durcheinander. (Deutsches Theater: „Alltag und Extase“, ab 17. 1. , 20:00 Uhr)

Ein anderes Familienpatchwork, allerdings ein äußerst vitales, ist am 19. 1. zu bestaunen. Da feiert die Schauspielerin Katharina Thalbach ihren 60. Geburtstag. Und zwar mit einer eigens dafür bearbeiteten Fassung von Gerhart Hauptmanns „Der Biberpelz“ samt Fortsetzung „Der rote Hahn“. Es spielen u.a. La Thalbach herself, Tochter Anna, Enkeltochter Nele sowie Bruder Pierre Besson. Ein anderer Bruder, Philippe Besson, führt Regie. (Theater am Kurfürstendamm: „Der rote Hahn im Biberpelz“, ab 19. 1., 18:00 Uhr)