„Das Gesetz ist eine Gratwanderung“

Der liberale Abgeordnete Robert Orth verteidigt die geplanten neuen Möglichkeiten für den Verfassungsschutz

Herr Orth, werden Sie den von der Landesregierung vorgeschlagenen Änderungen im NRW-Verfassungsschutzgesetz zustimmen?

Robert Orth: Ja, das werde ich. Die Änderung ist nötig, denn nach den Terroranschlägen des Jahres 2001 wurden einige neue Befugnisse des Verfassungsschutzes nur befristet eingeführt und würden im Jahr 2007 auslaufen. Die terroristische Bedrohung besteht jedoch nach wie vor.

Bei welchen Punkten haben Sie Bauchschmerzen?

Das Gesetz ist sicher eine Gratwanderung, aber für die Sicherheit unserer Bürger ist es notwendig.

Nach den Terroranschlägen im Jahr 2001 wurden neue Befugnisse für die Verfassungsschützer eingeführt, etwa die Überwachung von Geldflüssen oder Telefon-Verbindungsdaten von ausländischen Netzwerken. Warum soll dies künftig auch für inländische Gruppen gelten?

In London und Madrid waren nicht ausländische, sondern mit einheimischem Pass versehene Terroristen am Werk. Weil es möglich ist, dass auch in Deutschland solche Täter am Werk sind, müssen wir die Kompetenzen der Verfassungsschützer entsprechend erweitern.

Warum wird diese Überwachung auch gegenüber Rechts- und Linksextremisten möglich? Derzeit beobachtet der Verfassungsschutz ja etwa die Deutsche Kommunistische Partei, Teile der Linkspartei, die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands und einzelne autonome Gruppen.

Ich würde nicht unterscheiden wollen, welche Tätergruppe zu beobachten ist. Wenn von einer Tätergruppe eine Gefährdung ausgeht, muss der Staat auch mit seiner gesamten Klaviatur eingreifen. Zumal die Übergänge zwischen einzelnen Gruppen auch sehr fließend sein können. Denken Sie nur an die Siebzigerjahre und die RAF, die mit palästinensischen Terroristen zusammenarbeitete. Ich möchte keinen „Sicheren Hafen“ für bestimmte Arten von Extremismus schaffen, weil dann eine Tätergruppe im Umfeld einer anderer Tätergruppe tätig werden könnte, um sich so der verschärften Überwachung zu entziehen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2005 die Wohnraumüberwachung eingeschränkt. Warum wird das nicht mit der Änderung entsprechend umgesetzt?

Bei dem Urteil ging es um den Bereich der Strafverfolgung, nicht um den Verfassungsschutz. Das muss entsprechend also auch unterschiedlich beurteilt werden. Ich persönlich habe mich politisch immer gegen die akustische Wohnraumüberwachung eingesetzt und ich gehe davon aus, dass es auch für diesen Bereich Vorgaben aus Karlsruhe geben wird, deren Umfang kann ich aber nicht abschätzen. Bisher wurde die Wohnraumüberwachung in NRW durch den Verfassungsschutz noch nie angewandt. Wir haben also alle Ruhe, um auf ein Urteil zur speziellen Situation der Verfassungsschützer zu warten.

Ist das Gesetz die Abkehr von bürgerrechtlichen Positionen in der FDP?

Keineswegs. Die FDP will immer die Balance wahren zwischen Freiheit des Einzelnen und dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit. Wenn man alle paar Jahre dieses Spannungsverhältnis überprüft, hat man je nach Bedrohungslage das angemessene Instrumentarium zu wählen.

INTERVIEW: S. HEISER