portrait: Bildungsfrontfrau ohne Kunstverstand
Der Beißreflex der sächsischen Union auf den SPD-Personalvorschlag sagt eigentlich alles. Einige ihrer Exponenten schäumen dagegen, dass Eva-Maria Stange Nachfolgerin der ins Chemnitzer Oberbürgermeisteramt gewählten sächsischen Wissenschafts- und Kunstministerin Barbara Ludwig werden soll. Große Koalition hin oder her, man hat in der CDU nicht vergessen, welch hartnäckige Gegnerin insbesondere bei Tarifverhandlungen die frühere GEW-Landeschefin war. Sie stünde Positionen der Linkspartei nahe, heißt es heute, was auch in einer offenen Demokratie für ein politisches Todesurteil ausreicht.
Die sächsische Karriere der promovierten Pädagogin wurde unterbrochen, als sie 1997 völlig überraschend als Ost-Frau mit mehr als 80 Prozent Zustimmung zur GEW-Bundesvorsitzenden gewählt wurde. Damals war sie noch nicht in der SPD, die sie nun in Sachsen für das Wissenschaftsressort nominiert hat – parteiintern umstritten und eher in Verlegenheit ob der dünnen Personaldecke. Gesteigert wird die Verlegenheit der Diaspora-SPD noch durch die Auswahlkriterien „weiblich, sächsisch, SPD“.
Nun kennt man Stange als optisch unauffällig und medial zurückhaltend, aber als politisch zäh. Sicher ist sie unbequemer als die scheidende Ministerin, und Landesparteichef Thomas Jurk weiß die SPD-Mitglieder hinter sich, die sich in der Koalition eine stärkere Profilierung wünschen. Die CDU-Reaktionen unterstellen denn auch einen „ideologischen Blickwinkel“ Stanges und befürchten ernsthaften Widerstand gegen Bemühungen, die Unis in rein managementorientierte Lieferanten für die Wirtschaft umzuwandeln. Im eskalierenden Koalitionskrach wird sogar unterstellt, sie wolle sich aus ihrem Kompetenzfeld Schule ins Kultusressort einmischen. Grotesk wirken Vorwürfe des Dresdner CDU-Stadtchefs Lars Rohwer, als GEW-Chefin habe sie nicht mal die Integration in die Gewerkschaft Ver.di vollbracht. Als ob die CDU daran interessiert wäre.
Begründete Zweifel an der Eignung Stanges treten hinter diesen Grabenkämpfe zurück. So arbeitet sie zwar seit einem knappen Jahr wieder an der TU Dresden, verfügt aber sonst nur mittelbar über hochschulpolitische Erfahrungen. Öffentliche Aussagen, die ein Profil erkennen ließen, sind nicht bekannt. Entsprechend verhalten ist die Reaktion unter Akademikern. Noch skeptischer reagieren Künstler und Kulturschaffende: Die einzigartige Kulturlandschaft im Freistaat, dem Land mit den höchsten Pro-Kopf-Kulturausgaben, hätte eine profilierte Persönlichkeit verdient. Die designierte Kunstministerin räumt selbst ein, hier ein unbeschriebenes Blatt zu sein.
MICHAEL BARTSCH
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