Countdown für Privatuni

Darf Deutschlands erste Privatuni in Witten-Herdecke weiter Mediziner ausbilden? Heute fällt die langerwartete Entscheidung im Wissenschaftsrat. NRWs Wissenschaftsminister ist optimistisch

VON MIRIAM BUNJES
UND STEPHAN GROßE

Heute entscheidet sich die Zukunft der Universität Witten-Herdecke. Der Wissenschaftsrat will endgültig beschließen, ob Deutschlands erste private Universität weiter MedizinerInnen ausbilden darf. An der Privatuni lernen 1.100 Studierende, die Hälfte studiert davon Medizin. Ein Aus der medizinischen Fakultät würde das Ende der Uni bedeuten.

Im vergangenen Juli hatte der Wissenschaftsrat – das wichtigste Beratungsgremium der Bildungspolitik – in einem mit Fundamental-Kritik gespicktem Gutachten die Schließung der medizinischen Fakultät empfohlen: Deren Leistungen entsprächen nicht den Maßstäben einer Universität.

Im Zentrum der Kritik steht die Forschungsleistung. Das unabhängige Gremium bemängelte insbesondere die fehlende Uniklinik. Stattdessen kooperiert Witten-Herdecke mit elf Kliniken. Dadurch zerfasere die praktische Ausbildung, so der Rat. Zudem liege die Grundlagenforschung brach. Die Fachleute aus Wissenschaft und öffentlichem Leben fordern mehr hauptamtliche Professuren, mehr Forschung und eine grundlegende Überarbeitung der praktischen Ausbildung.

Die Kritik überraschte deutschlandweit: Der Reformstudiengang Medizin in Witten-Herdecke galt bislang als besonders innovativ: Bei Hochschul-Rankings belegten die Wittener Spitzenplätze, weil die Studierenden früh mit Patienten arbeiten.

Die Uni hat ihre Hausaufgaben gemacht. Seit Anfang diesen Jahres liegt ein neues Konzept auf den Schreibtischen im Wissenschaftsrat. Künftiger Forschungsschwerpunkt ist die so genannte Versorgungsforschung. „Wir haben die Grundlagenforschung deutlich aufgestockt“, sagt Uni-Sprecher Olaf Kaltenborn. Bis zum Jahresende wird es acht neue Institute geben. Das Institut für chirurgische Forschung, ein Gemeinschaftsprojekt mit der Kölner Uni, arbeitet bereits. Die Uni entkräfte so den Vorwurf der mangelhaften Forschung und schaffe gleichzeitig neun interne Professoren, sagt Kaltenborn.

Auch die – ebenfalls monierte – Vernetzung innerhalb der Uni wurde vorangetrieben: So werden künftig die Biowissenschaftler enger mit den Medizinern zusammenarbeiten. In den Verträgen mit den Lehrkliniken wird inzwischen der Forschungsaspekt betont.

Doch auch das neue Konzept überzeugte die Gutachterkommission nicht. Bei der Frühjahrssitzung des Rates im Mai konnten die Mitglieder sich zu keinem abschließenden Votum durchringen. Der Uni wurde stattdessen ein zweiseitiges Anforderungsprofil übergeben, das neun konkrete Forderungen umfasst. „Es ist klar, dass wir uns nicht die Mühe gemacht hätten, wenn wir keine Chance mehr sehen würden“, sagte der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Peter Strohschneider nach der Sitzung.

Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP), dessen Ministerium die Gutachten des Wissenschaftsrats für die NRW-Unis beauftragt, klingt noch optimistischer. Die Neukonzeption habe eine faire Chance verdient, so der Minister. „Wir sind sehr guter Hoffnung, dass Witten seine Medizin beibehält“, sagt sein Ministeriumssprecher einen Tag vor der Entscheidung.