Eine große Mehrheit für die neue Verfassung

ÄGYPTEN Vorläufigen Angaben zufolge stimmen über 90 Prozent für den Entwurf. Die Wahlbeteiligung von 37 Prozent liegt nur wenig über der des Referendums unter Mursi. 440 Personen werden festgenommen

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Bei dem zweitägigen Verfassungsreferendum in Ägypten haben vorläufigen Ergebnissen zufolge über 90 Prozent der Wahlberechtigten für den Entwurf gestimmt. Das offizielle Endergebnis soll in drei Tagen vorliegen. Die Militärführung erhofft sich von dem Ergebnis und der Wahlbeteiligung eine Stärkung ihrer Legitimität.

Die meisten Neinsager waren gar nicht erst in die Wahllokale gekommen. Nicht nur, weil die Muslimbruderschaft und die Anti-Putsch-Bewegung zum Boykott aufgerufen hatten, sondern auch aus Angst. In den Medien wurde ein Nein praktisch mit Landesverrat gleichgesetzt. Allein an den beiden Tagen des Referendums wurden nach offiziellen Angaben 440 Menschen festgenommen. Einer hatte auf den Wahlzettel „Nein zu den Militärgerichten“ gekritzelt.

Daher wird die die Frage der Wahlbeteiligung jetzt zum Stein des Anstoßes. Nach Auszählung von 26 der 27 Provinzen meldet die Zeitung al-Ahramonline eine Teilnahme von 37 Prozent. Zuvor hatten die staatlichen Medien von einer Wahlbeteiligung bei der 50-Prozent-Marke berichtet. Die neuen Angaben liegen nur wenig höher als beim Verfassungsreferendum unter dem islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi, als 33 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt und 64 Prozent für ein Ja votiert hatten.

Ein Militärsprecher dankte „den Massen“ für ihre Teilnahme „in der heldenhaften Schlacht des Referendums“. Seitens der Regierung ist von der bisher höchsten Wahlbeteiligung in der Geschichte Ägyptens die Rede. „Die Urnen wurden in der Nacht den Waffen und der Korruption überlassen“, hießt es hingegen in einer Erklärung der Muslimbrüder: „Hier wurde zwei Tage lang systematisch betrogen, und das ist nur ein weiteres Verbrechen seit dem Putsch.“

Dem Land steht nun eine endlose Debatte über die Wahlbeteiligung bevor. Es gab keine flächendeckende unabhängige Wahlbeobachtung und keine Vertreter der beiden politischen Lager in den Wahllokalen.

meinung und diskussion SEITE 12