Spielverderber im Abseits

Häkel die Sponsoren-Verflechtung: Im „Fanshop der Globalisierung“ lernt man mehr über Fußball, als einem lieb ist. Mode wird zum Mittel der Aufklärung und die Botschaft von Trikots und Logos umgedichtet. Allerdings weit abseits der Fanmeile

VON JAN KEDVES

Dass in den Staats- und Landeskassen nichts mehr zu holen sein soll, mag kaum glauben, wer einmal nachzählt, wie viele Kulturprojekte sich in Berlin zur Fußball-WM monetäre Hilfestellung sichern konnten. Es wimmelt nur so von Programmen, die terminlich parallel zum Turnier fallen, mit Fußball allerdings höchstens verschämt etwas tun haben. Auch die Bundeszentrale für politische Bildung hat einen Topf aufgemacht – und so steht er nun, rechts neben der Volksbühne: der „Fanshop der Globalisierung“, ein zwölf Meter langer Cargo-Container, auf dem eine schwarzweiße Piratenflagge weht.

Die Bezeichnung „Fanshop“ ist natürlich ironisch zu verstehen. Und anstelle der Fußball-WM hätte es als Anlass für eine Informationsveranstaltung zum Thema Globalisierung vermutlich der kurz vor der Tür stehende Modemessen-Rummel um „Bread & Butter“ und „Premium“ genauso getan. Doch raumtaktik, eine Berliner Agentur „für räumliche Aufklärung und Intervention“, die den „Fanshop“ konzipiert hat, wollte die Chance nicht verpassen, sich in die breite Welle der WM-Euphorie einzuhacken – und sich dabei ein bisschen als Spielverderber zu profilieren.

Denn natürlich kommen im „Fanshop der Globalisierung“ Geschichten zur Sprache, die bedingungslos affirmativer Fußballbegeisterung erst mal einen gehörigen Dämpfer verpassen. Ob über die dubiosen Machenschaften der chinesischen Wettmafia, die in Belgien zu merkwürdigen Häufungen von Eigentoren führen, oder über weltweite Sponsoren-Verflechtungen, die bewirken, dass argentinische Kickertalente beim VfL Wolfsburg landen: Dank guter Recherche-Arbeit lernt man hier mehr über Fußball, als einem lieb sein kann. Ob man nun Fan ist oder nicht. Dabei ist der „Fanshop“ natürlich – von der Piratenflagge bis zum „Schwarzen Peter der Globalisierung“-Kartenspiel selbst durch und durch von Corporate Identity infiziert.

Das Konzept, Berliner Modedesigner zu beteiligen, um sie Trikots, die mit Logos übersäten, greifbarsten Fetische des globalisierten Fußballs, umgestalten zu lassen, geht indes mal mehr, mal weniger auf: Die Designer von Urban Speed schneidern aus einem FC-Bayern-Leibchen einen Mao-Kittel – was wohl darauf verweisen soll, dass Bayern mittlerweile offensiv mit dem boomenden Asienmarkt liebäugelt. Substrat Design kombinieren die Trikots verschiedener Vereine zu einem bunten Durcheinander, womit das moderne Nomadentum des mal hier, mal dort in Lohn und Brot stehenden Fußballgladiatoren gemeint sein könnte.

Den originellsten, wenngleich ziemlich esoterischen Ansatz, verfolgt jedoch die Designerin Florinda Schnitzel. Die Vorstellung, sich an Trikots, die aus Sweatshops in Fernost stammen, die Hände schmutzig zu machen, schien ihr zunächst abstoßend. Bis sie auf die Idee kam, mit einer aus Migrantinnen bestehenden Kunsthandwerkgruppe zusammenzuarbeiten – und so das, was sich bei der billigen Sweatshop-Produktion an schlechtem Karma in die Synthetikfasern gewirkt haben könnte, in Kreuzberg fröhlich werkelnd wieder auszubügeln.

Dass in einem Container in Berlin nun liebevoll mit Totenköpfen verzierte Trikots hängen, dürfte Fabriksklaven in Asien zwar herzlich egal sein. Doch immerhin ist hier die Ausbeutungs- und Wertschöpfungskette erst mal zu Ende: Die im „Fanshop“ ausgestellten Entwürfe bleiben Unikate.

Völlig schleierhaft ist die räumliche Platzierung des Ausstellungs-Containers. Sicherlich: mit Kritischem zum Thema Globalisierung ist man vor der Volksbühne nicht gänzlich an der falschen Adresse. Doch mit dem laut Thomas Krüger, dem Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung, erklärten Ziel, die Fußball-WM als Gelegenheit beim Schopfe zu packen, um „unreflektierte Konsumenten-Fans in kritische Begleiter-Fans“ zu verwandeln, hätte man auf der Fanmeile doch deutlich besser dagestanden.

Vielleicht wird ja das musikalische Rahmenprogramm genügend Interessenten an den Rosa-Luxemburg-Platz locken: „We Make The World – Du bist Globalisierung“ nennt sich, in visionärer Weiterdrehung jüngster nationalpopulistischer Plakatslogans, die Veranstaltung, bei der Christian von Borries, das Enfant terrible der deutschen Klassikszene, am morgigen Samstag beabsichtigt, sich gemeinsam mit einem Chor Freiwilliger performativ Geräusche der Globalisierung anzueignen. In diesem Fall natürlich: Fußball-Fangesänge. So werden möglicherweise sogar ausgewiesene Fußball-Hasser noch schneller als gedacht lernen, wie ansteckend Gegröle in der Menge sein kann.

Pavillon vor der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Sa., 18 Uhr: We make the world – Du bist Globalisierung