Schwerfälliger Fußball ist Kunst

Hinter den „Betonfußbällen“, gegen die zwei Männer traten und sich verletzten, steht eine Künstlergruppe. Gestern bat sie um Entschuldigung

Die im Stadtgebiet ausgelegten und mit Beton gefüllten Fußbälle waren offenbar als Kunstaktion geplant. Nachdem die Polizei am Mittwoch zwei Tatverdächtige festgenommen hatte, gingen die Künstler gestern selbst an die Öffentlichkeit. Hinter den „Bastlern“, die die Bälle präpariert und verteilt hatten, steckt eine vierköpfige Künstlergruppe aus Wien, die seit langem in Berlin lebt und arbeitet. Sie nennt sich „Mediengruppe LM/LN“ und organisiert seit Jahren Kunstprojekte. Daniela Emminger, Mitglied der Gruppe, entschuldigte sich bei den zwei Opfern, die gegen die Bälle getreten und sich leicht verletzt hatten.

In Mitte, Friedrichshain, Kreuzberg und Prenzlauer Berg hatten die Künstler in der vergangenen Woche die zehn Kilo schweren Betonfußbälle verteilt. Sie waren mit einer Metallkette zum Beispiel an Straßenlaternen befestigt. Mit Leuchtschrift war dazu der Spruch „Can You Kick It?“ („Kannst du ihn schießen?“) auf dem Boden gesprüht. Manchen Passanten war allerdings nicht klar, dass es sich hierbei um Kunst handelte – deshalb traten sie an die harten Bälle. Außer zwei verstauchten Füßen ist aber nicht viel passiert. Ein gebrochener Zeh, von dem in Medienberichten die Rede war, ist weder der Künstlergruppe und ihrem Anwalt noch der Polizei bekannt. Zudem seien die Bälle schnell verschwunden, sagten die Künstler. 9 der insgesamt 16 Bälle hat die Polizei eingesammelt, die übrigen haben vermutlich Kunstfreunde mitgenommen.

Dennoch ermittelt die Polizei gegen zwei Mitglieder der Gruppe wegen gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. In der Werkstatt der beiden fand sie Beweismittel, etwa Schablonen und Fußbälle. Der Anwalt der Gruppe bestreitet die Vorwürfe allerdings und weist darauf hin, dass die Installationen „als Kunstwerk markiert“ waren.

Die Bälle verteilt zu haben, streiten die 26 und 29 Jahre alten Männer nicht ab. Trotzdem können sie die Aufregung nicht ganz verstehen. In ihre Werkstatt sei der Staatsschutz ohne Durchsuchungsbefehl eingedrungen, mit der Begründung, dass „Gefahr im Verzug“ bestanden habe. Und das, obwohl die Aktion bereits seit Tagen durch die Medien geisterte.

Sie hätten nicht vermutet, dass es zu Verletzungen kommen würde, aber es tue ihnen natürlich leid, versicherten alle Mitglieder der Gruppe. „Wir hatten damit gerechnet, dass die Menschen bedächtig mit der Installation umgehen“, sagt Daniela Emminger. Der Bälle seien durch den Beton verformt gewesen, eine Kette steckte in ihnen – es war also erkennbar, dass es sich um keine normalen Fußbälle handelte. Außerdem waren die meisten Bälle so angebracht – zum Beispiel an Wänden –, dass man kaum auf die Idee hätte kommen können, gegen sie zu treten, so Emminger.

Sie seien auch keine Fußballhasser, versicherten die vier Künstler. Sie wollten mit ihrer Straßenkunstaktion, die sie „Concrete Soccer“ nennen, darauf aufmerksam machen, dass Fußball alle angeht, ein Spiel der Masse ist. Dies wollten sie auch im konkreten Sinn sichtbar machen – als in Beton gegossenen Symbol eines Massenphänomens. SEBASTIAN LEHMANN