Eingriffe bis in den Teletext

Österreich: Weiter Gegenwind für die wegen Parteilichkeit kritisierte ORF-Chefin Lindner

Kurz vor der politischen Sommerpause werden in Österreich die Positionen zur Neuwahl der Führung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ORF abgesteckt. Grüne und SPÖ forderten letzte Woche in einer Sondersitzung des Nationalrats die Einhaltung des Rundfunkgesetzes, das den ORF zu Überparteilichkeit und Berücksichtigung der Meinungsvielfalt verpflichtet. Im Mai gründeten ehemalige ORF-Mitarbeiter, KünstlerInnen und andere Prominente die Plattform SOS ORF, die sich für mehr kritischen Journalismus im ORF einsetzt. Ihren Aufruf haben inzwischen über 70.000 Menschen im Internet unterschrieben.

Grünen-Chef Alexander Van der Bellen kritisierte, dass das Fernsehen unter Generaldirektorin Monika Lindner und Chefredakteur Werner Mück zu einem „Ministerium der ÖVP“ verkommen sei. Auch der kleine Koalitionspartner BZÖ, der sich bei der Besetzung der Schaltstellen im ORF übergangen fühlt, mischt sich wieder vehement ein. Der neue Parteichef Peter Westenthaler interveniert sogar bei der Redaktion des Teletextes, wenn er meint, dass seine Presseerklärungen nicht ausführlich genug referiert werden. Die Regierungsparteien bestreiten jede Einflussnahme. Den Oppositionsantrag, die Wahl Mitte August geheim abzuhalten, stimmten sie mit ihrer Mehrheit nieder.

Wenn am 17. August der aus 35 Personen bestehende Stiftungsrat zusammentritt, kann es auch ohne Geheimvotum spannend werden. Der Posten des Generaldirektors musste öffentlich ausgeschrieben werden und alle Kandidaten werden sich einem Hearing stellen. Galt vor wenigen Wochen noch als ausgemacht, dass die ÖVP ihre Personalwünsche ohne großen Widerstand durchdrücken könne, so glauben heute die wenigsten, dass die Kanzlerpartei sich vollständig durchsetzen wird.

ÖVP und BZÖ halten zwar eine knappe Mehrheit von 18 Sitzen im Stiftungsrat. Doch Lindner hat sich in der Debatte über den politischen Einfluss so ungeschickt verhalten, dass auch in der ÖVP über Alternativen nachgedacht wird. Ermuntert durch die jüngsten Entwicklungen haben sich mehrere Interessenten wie der ehemalige RTL-Chefredakteur Hans Mahr gemeldet. RL