ALTERNATIVE HANDELSSTRUKTUREN: EU-PARLAMENT WILL TATEN SEHEN
: Faire Behandlung für fairen Handel

Viele EU-Papiere loben den fairen Handel – doch bisher mangelt es an konkreter Unterstützung wie beim Biomarkt. Das will das EU-Parlament ändern. Deshalb haben die Abgeordneten gestern mit großer Mehrheit einen Bericht verabschiedet: Die Kommission soll den fairen Handel nicht nur mit schönen Worten, sondern mit Taten unterstützen.

Schon eine Million Kleinproduzenten weltweit profitieren vom fairen Handel, der ihnen langfristige Lieferbeziehungen und einen fairen Preis garantiert. Ihre Zahl möglichst rasch zu vergrößern ist kein rein altruistisches Anliegen: Wer davon ausgeht, dass er anständig in seiner Heimat leben kann, wird sich nicht in ein klappriges Boot setzen und irgendwie versuchen, Europa zu erreichen. Wohl auch deshalb haben viele EU-Parlamentarier gestern für den Bericht gestimmt.

Allerdings drohen dem fairen Handel gerade durch seine wachsende Popularität Gefahren. Trittbrettfahrer nutzen das gute Image. Erst vor kurzem versuchte eine belgische Firma, ihre Waren als „fair and free“ zu vermarkten – freilich ohne ihre Lieferanten entsprechend zu behandeln. Passiert dies öfters, könnten Käufer wieder abspringen. Klare Kriterien sind also notwendig, um den Begriff und die Verbraucher zu schützen.

Doch das Europaparlament will zunächst auf eine Definition wie im Biobereich verzichten und kein eigenes Siegel entwickeln. Es empfiehlt, die zivilgesellschaftlich entwickelten Kriterien zu übernehmen – und das ist richtig so. Gerade die kleinsten Anbieter wären nämlich kaum in der Lage, die EU-Kontrollen zu finanzieren. So würde ausgerechnet der engagierteste Teil des fairen Handels zerstört, der auf persönlichen Kontakten der Händler und dem Vertrauen der Kunden beruht.

Auf ein EU-Siegel zu verzichten heißt auch nicht, auf Wachstum zu verzichten. Im Gegenteil. Die von Ehrenamtlichen getragenen Weltläden und der „faire Massenmarkt“ in den Supermärkten haben sich in den vergangenen Jahren gemeinsam nach oben entwickelt. Und gemeinsam ist es ihnen auch gelungen, den belgischen Trittbrettfahrer vom Zug zu schmeißen. ANNETTE JENSEN