Schöne grüne Welt

INTERNATIONALE GRÜNE WOCHE 2014 Die akuten Probleme der ostdeutschen Bauern stehen bei der größten europäischen Landwirtschaftsmesse nicht zur Diskussion. Deshalb gehen die Akteure nun in die Offensive

Nur 15 Prozent des Sortiments hiesiger Ökosupermärkte werden hier produziert

VON MICHAEL PÖPPL

Gelb wogende Rapsfelder, Hühner, die entspannt auf dem Hof nach Würmern picken, glückliche Kühe und ebensolche Bauern auf der Weide: So sehen die Werbebilder der 79. Internationalen Grünen Woche (IGW) aus. Über 400.000 Besucher kamen 2013 zur Leistungsmesse der deutschen Landwirtschaft, mindestens ebenso viele werden auch in diesem Jahr erwartet. Für die meisten der Gäste steht vor allem der Genuss im Vordergrund, über 100.000 Lebensmittel aus aller Welt sind zu bestaunen und vor allem auch zu probieren.

Doch akute Probleme wie die zunehmende Industrialisierung der Nahrungsproduktion, Massentierhaltung oder Landverknappung in Brandenburg werden kaum thematisiert. Bei den Diskussionsveranstaltungen der Fachbesucher dürften diese Themen allerdings zur Sprache kommen. Denn viele Bauern sind mit der aktuellen Lage unzufrieden. „Natürlich hat die Grüne Woche vor allem eine Schaufensterfunktion“, sagt Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft ökologischer Landbau (FÖL), die sich mit heimischen Biobetrieben in der Brandenburg-Halle und in der neuen BioMarkt-Halle präsentieren wird. „Kleinere und mittelgroße Höfe und Manufakturen suchen aufgrund ihrer Struktur schon lange die direkte Nähe zu den Verbrauchern. Nicht nur auf der Messe.“

Der Geschäftsführer des Öko-Netzwerks ist Mitbegründer des im November 2013 gegründeten „Aktionsbündnis Agrarwende Berlin-Brandenburg“, in dem sich über 34 Initiativen aus Protest gegen die aktuelle Brandenburgische Landwirtschaftspolitik zusammengeschlossen haben, darunter Umweltschutzverbände wie BUND und Nabu, Ökobauern und kooperativen sowie Bürgerinitiativen gegen Massentierhaltung „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“. Das Paradoxe in Brandenburg: Eigentlich müsste es den märkischen Biobauern gut gehen, denn der Biobedarf in der Hauptstadtregion steigt seit Jahren stetig. 2012 wurden dort allein im Fachhandel mehr als 290 Millionen Euro für Biowaren umgesetzt, eine Steigerung zum Vorjahr von über 8 Prozent. Für 2013 werden etwas geringere Zuwächse erwartet. Regelmäßig eröffnen neue Ökosupermärkte in Berlin und Potsdam, doch nur 15 Prozent dessen, was in deren Regalen zu finden ist, wird regional in Brandenburg produziert.

Der Impuls für die Gründung des Aktionsbündnisses ist die Kritik der Bioproduzenten am Brandenburger Landesbauernverband und des SPD-geführten Landwirtschaftsministeriums, die vor allem die Großproduzenten bevorzugten und subventionierten. Der wachsende großflächige Anbau von Ackerfrüchten für Agro-Gasanlagen verursache eine zunehmende „Vermaisung“ der Anbaufläche, so die Kritiker aus dem Bündnis. Riesige Rapsmonokulturen zur Gewinnung von Agrokraftstoff seien wegen des vermehrten Einsatzes von Pestiziden für das massive Bienensterben verantwortlich zu machen. Auch der geplante Bau von riesigen Zuchtbetrieben, wie die umstrittene Schweinemastanlage in Haßleben, wo ein niederländischer Investor zukünftig über 37.000 Tiere halten will, widerspreche allen Regeln des Tierschutzes.

Auch die Chance zur Eigeninitiative werde zunehmend verhindert, so die weitere Kritik. Viele Biolandwirte würden der steigenden Nachfrage der Verbraucher in der Hauptstadtregion zwar gern nachkommen, doch freie landwirtschaftliche Flächen in Brandenburg sind rar. Das „Landgrabbing“, so Willi Lehnert vom „Bündnis junge Landwirtschaft“, gefährde auch die Chancen für den bäuerlichen Nachwuchs. „Die Preise für Äcker in Ostdeutschland haben sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt“, sagt Lehnert. Ein klassisches Nachwendeproblem: 1992 übernahm die Bodenverwertungs und -verwaltungs GmbH (BVVG), eine Tochter der Treuhand, die Verwaltung der landwirtschaftlichen Flächen aus staatlichem LPG-Vermögen. Viele Verträge liefen nun nach 20 Jahren aus, die Brandenburger Flächen kommen wieder auf dem Markt.

Die Folge: Wer am meisten bietet, bekommt den Zuschlag, und bei Preisen von bis zu 13.500 Euro pro Hektar können kleine Betriebe nicht mithalten. „Sich als Jungbauer eigenes Land zu kaufen ist kaum zu finanzieren, auch bei der Pachtung wird man von finanzkräftigen Großbetrieben oder Kapitalanlegern überboten“, sagt Lehnert, der an der FH Eberswalde studiert hat. Viele seiner Kommilitonen suchen nach dem Landwirtschaftsstudium lange vergeblich eine Möglichkeit, ihr Wissen in die Praxis umzusetzen.

„Es ist eine grundlegende Entscheidung, für die auch wir als Verbraucher verantwortlich sind“, sagt Michael Wimmer von der FÖL. „Wollen wir selbstständige Landwirte, die in Eigenverantwortung arbeiten? Oder wollen wir, dass sensible Themen wie die Lebensmittelproduktion und die Tierhaltung nur noch von rein wirtschaftlich agierenden Großunternehmen bestimmt werden?“ Das Aktionsbündnis Agrarwende ruft deshalb dazu auf, der Branche und der Politik zu zeigen, was die Meinung der Bevölkerung ist. „Wir haben Agrarindustrie satt“ lautet das Motto der Demo am Samstag, 18. Januar, zu der die zahlreichen beteiligten Initiativen bis zu 20.000 Teilnehmer erwarten.

www.agrarwende.wordpress.com www.wir-haben-es-satt.de