jugend liest
: Martine Leavitts „Mein Leben als Superheld“ und Carl Barks’ „Tollkühne Abenteuer der Ducks auf hoher See“

„Frage: Wie rettet man eine Mom aus der Hyperzeit? Antwort: Man muss ein Superheld sein.“ Schon in den beiden ersten Sätzen ist das Wesentliche dieses ungewöhnlichen Jugendbuchs zusammengefasst. Heck ist 13, und er ist ein Held, weil seine Mutter in einem Paralleluniversum lebt, in dem die Regeln der praktischen Vernunft außer Kraft gesetzt sind. Aber Heck ist ein Held wider Willen, der in seine Comicwelt abtaucht, in der den Menschen Sprechblasen aus den Köpfen wachsen und er selbst wundersame Kräfte hat. Mit denen tut er Gutes, damit alles gut wird. Doch Heck Superheld gerät trotzdem immer tiefer in den Schlamassel: ohne Wohnung und ohne Geld, dafür aber mit gewaltigem Zahnweh, versucht er sich durchzuschlagen. „Mein Leben als Superheld“ legt die Tiefenschichten klassischer Comicliteratur frei, der Roman spielt mit diesem Genre und nimmt es dabei auf ungewöhnliche Weise ernst. Er lädt dazu ein, ihre künstlerischen Tricks zu durchschauen und ihre Vielschichtigkeit zu begreifen. Dazu trägt auch ein Glossar bei, in dem man nachlesen kann, was ein Cyborg oder Mutant ist und warum Will Eisner zu den bedeutendsten Comicautoren Amerikas zählt. Gleichzeitig ist dieses Buch auf brutale, auch herzzerreißende Art realistisch, während es sich mit der Frage beschäftigt, wem die Wirklichkeit gehört. Und es ist ein klassischer Entwicklungsroman, in dem Heck lernt, seinen Superhelden zu lieben und ihn trotzdem dorthin zurückkehren zu lassen, wohin er gehört: in die Comicwelt.

Für alle, die ihre Liebe zu Comics nicht aufgeben mögen, bloß weil sie dem Kindesalter entwachsen und ihre Leseansprüche sich entsprechend verändern, gibt es jetzt im Marebuchverlag „Die tollkühnen Abenteuer der Ducks auf hoher See“. Dass es, wie in diesem Verlag üblich, Geschichten ums Meer herum sind, ist dabei unerheblich. Aber dass der Autor von „Der Schwarm“ sich hier nicht nur als Duck-Liebhaber, sondern auch als Literaturkritiker von einigem Kaliber zeigt, macht den Band zu einer echten Überraschung. So erlebt man Donald und Gustav als Gegenfiguren zur schönen neuen Arbeitswelt der Post-New-Economy, denn beide eint ihre aufrichtige und durch keinen Kompromiss zu erschütternde Ablehnung ernsthafter Arbeit. Frank Schätzing befasst sich mit den Abscheulichkeiten des Kleinbürgertums („Ich bin auch keine Beamtennatur“, gibt Donald als Museumswärter preis) und amüsiert durch einige nette Worterfindungen wie „Di-duck-tick“ statt Didaktik. Er kramt noch einmal Alice Schwarzers Frage „Ist Gustav schwul?“ heraus und zeigt, wie Carls Barks die Tabuthemen Sex und Tod in seine harmlos anmutenden Storys hineinschmuggelte.

Unbedingt zu empfehlen ist auch das Nachwort des Literaturkritikers Denis Scheck, der sich mit der Duck-Übersetzerin und deutschen „Chefredakteurin“ der Hefte befasst. Offensichtlich hat Dr. Erika Fuchs ihren Doktortitel sehr zu Recht getragen. Wie die promovierte Kunstwissenschaftlerin humanistisches Wortgut in Duck’sche Sprechblasen schmuggelte, ist ausgesprochen vergnüglich. Auch dass, laut Scheck, das Misstrauen gegen diese Form der Literatur in Deutschland so groß war, dass zehn Jahre nach der Nazidiktatur Donald-Duck-Hefte auf deutschen Schulhöfen verbrannt wurden, war für mich neu. Für jugendliche Barks-Fans, die sich für Literatur interessieren, ist dieser Band also ein unbedingtes Muss. Klug und heiter – Literaturbetrachtung at it’s best. Dass die Abenteuer zur Abwechslung mal auf gutem Papier gedruckt sind, ist ebenfalls eine schöne Erfahrung.

ANGELIKA OHLAND

Martine Leavitt: „Mein Leben als Superheld“. Aus dem Englischen von Birgitt Kollmann. Nagel & Kimche, Wien, 167 Seiten, 14,90 Euro Carl Barks: „Die tollkühnen Abenteuer der Ducks auf hoher See“. Ausgewählt, eingeleitet und kommentiert von Frank Schätzing. Aus dem Englischen von Erika Fuchs. Marebuchverlag, Hamburg, 440 Seiten, 39,90 Euro