Auf Biegen und Brechen

NAZI-AUFMARSCH Politiker sind sauer auf die Polizei. Die ermöglichte den „Trauermarsch“ der Rechtsextremen in Magdeburg – obwohl Blockierer ihn schon fast verhindert hatten

„Die Polizei hat den Neonazis offensiv eine neue Route eröffnet“

BIRKE BULL, LINKE

AUS MAGDEBURG ANDREAS SPEIT

Sie wurden vor dem Marsch gestoppt. Sie saßen in der Bahn fest. Doch dann leitete die Polizei den Zug der Rechtsextremen zu einem S-Bahnhof am Stadtrand von Magdeburg um. Und so konnte die rechtsextreme Initiative gegen das Vergessen ihren „Trauermarsch“ am späten Samstagnachmittag doch noch ausrichten. „Auf Biegen und Brechen hat die Polizei den Rechtsextremen diesen Marsch ermöglich“, schimpfte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Claudia Dalbert.

Unter dem Motto „Ehrenhaftes Gedenken statt Anpassung an den Zeitgeist“ zogen Rechtsextreme zum 15. Mal durch die Straßen der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. Die Polizei zählte etwa 700 Teilnehmer. Rund 12.000 Menschen kamen zusammen, um gegen den Aufmarsch der Neonazis zu protestieren.

Beim Bahnhof Neustadt war es Demonstranten gelungen, die Schienen zu besetzen. Der Zug mit den Rechtsextremen konnte nicht weiterfahren. Die Kameraden im Lautsprecherwagen warteten und warteten. Endlich rangierte der Zug mit den Neonazis zurück – und auf ein neues Gleis.

„Ein voller Erfolg des friedlichen Protests“, bewertete Birke Bull, Landesvorsitzende der Linken, die Aktion zunächst. Bull konnte dann aber wie Dalbert nicht nachvollziehen, warum der Marsch zu diesem Zeitpunkt nicht von der Polizei beendet wurde. „Die Polizei hat den Neonazis offensiv eine neue Route eröffnet“, sagte sie wütend. Auf Nachfrage hin räumte ein Sprecher der Polizei ein, dass man nicht über die Option nachgedacht hätte, den Aufmarsch ganz abzublasen.

Also zogen die Rechtsextremen mit Fackeln und begleitet von Trauermusik wie jedes Jahr durch die Straßen der Stadt. Der Vorsitzende der NPD-Jugendorganisation Andy Knape und Kameradschaftsanführer Dieter Riefling führten den Tross an.

„Nazis raus“ und „Haut ab“ skandierten jene Demonstranten am Straßenrand, die es geschafft hatten, an die Route zu kommen. Polizeikräfte hetzten hin und her, lösten kleine Blockaden auf und verfolgten Kleingruppen. Nach Polizeiangaben hätten die rund 3.300 zusammengezogenen Beamten mehrmals Zwangsmittel anwenden müssen, um Angriffen von gewalttätigen Linken zu begegnen und ein Durchbrechen von Absperrungen zu verhindern. Dabei wurden mindestens 14 Beamte verletzt, 16 Demonstranten vorübergehend festgenommen.

Seit 1994 versucht die rechte Szene – von der NPD über die Kameradschaften bis hin zu den Autonomen Nationalisten – den Jahrestag zu nutzen, um an die Bombardierung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg zu erinnern und die Verbrechen der Wehrmacht zu verdrängen. „Nach dem erfolgreichen Blockieren des einst größten rechtsextremen Aufmarsches in Dresden, war zu erwarten, dass für die Szene der Marsch in Magdeburg wichtiger wird“, sagte David Begrich vom Verein Miteinander e.V..

„Die Magdeburger haben die Schnauze gestrichen voll, dass die Neonazis jedes Jahr in Magdeburg protestieren“, sagte Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD), der die „Meile der Demokratie“ in der Innenstadt mit mehreren Bühnen und Informationsständen eröffnete. Zu den Aktionen gehörten erstmals 16 „Meilensteine der Demokratie“, die sich im ganzen Stadtgebiet verteilten. Christine Böckmann vom „Bündnis gegen rechts“ sprach daher von einem „erneuten Erfolg“.