ROBERT BRACK: BLUTSONNTAG
: Eine folgenschwere Recherche

Die Journalistin Klara Schindler zieht im Sommer 1932 los, die wahren Schuldigen des Altonaer Blutsonntags zu finden

Gut ist die Frage, ob es sich bei dem neuen Roman des Krimi-Autors Robert Brack um einen Krimi handelt. Weil sein Buch „Blutsonntag“ in großen Teilen dokumentarischen Charakter hat. Und weil die Ordnung am Ende nicht wieder hergestellt ist. Stattdessen verfließt die Grenze zwischen Ermittlern und Verbrechern, zwischen rechtschaffen und kriminell.

Der historische Hintergrund des Romans ist der so genannte Altonaer Blutsonntag. An jenem 17. Juli 1932 marschierte die SA durch das damals noch nicht zu Hamburg gehörende Altona. Der Marsch der 800 Nazis durch ein traditionell rotes Viertel führte zu einer Schießerei, bei der 18 Menschen starben – zwei davon waren Braunhemden, der Rest gehörte zur Wohnbevölkerung vor Ort. Laut zahlreichen Zeugenaussagen war es die Polizei, die willkürlich um sich schoss und den Großteil der Toten zu verantworten hatte. Die Justiz aber machte vier Kommunisten verantwortlich und verurteilte sie zum Tode.

In seinem Roman nun schickt der Hamburger Autor Robert Brack die Journalistin Klara Schindler unmittelbar nach dem Blutsonntag los, um die wahren Schuldigen zu finden. Schindler schreibt für die kommunistische Hamburger Volkszeitung und kann die offizielle Schuldzuweisung an die Genossen nicht ertragen. Sie zieht mit einem Tonbandgerät los, auf dem sie die Aussagen festhält: von Anwohnern, Passanten, Polizisten, von Nazis und von Linken.

Ihre Recherche lässt sie immer wütender werden, außerdem führt sie sie zu jenem Polizeioffizier, der den Befehl gab, die Straßen frei zu schießen. Klara entscheidet sich zur Selbstjustiz und plant ein Attentat. Ob ihr das gelingt, ist der Höhepunkt der Spannung in diesem Buch.

Klaras Recherche, ihr Leben im proletarischen Hamburger Gängeviertel, ihre Auseinandersetzungen mit weniger ideologischen Linken und Sozialdemokraten, mit einem desillusionierten Künstler, mit Kriminellen und Polizeifunktionären beschreibt Brack historisch fundiert und atmosphärisch dicht. Der Roman knüpft direkt an an Bracks letztes Buch „Und das Meer gab seine Toten wieder“, in dem Klara Schindler auch schon aufgetaucht ist.

Unterbrochen wird die Handlung regelmäßig durch die Protokolle der Aussagen, die Klara sammelt. Der Bäcker, die Anwohnerin, die Passantin: Alle erzählen ihre Erlebnisse des 17. Juli 1932. Wie aus Mosaiksteinen setzt sich das Bild zusammen, das die Polizei als Hauptschuldigen identifiziert. Im Nachwort schreibt Brack, er habe „zu einem großen Teil authentische Zeugenaussagen im Originalton oder (aus stilistischen Gründen) leicht verändert verwendet“.

Die Idee, die Handlung durch die Protokolle gleichermaßen zu unterbrechen und zu motivieren, ist nur bedingt gut: Irgendwann stört das Stocken im Erzählfluss. Gut gelungen ist es Brack, die Zerrissenheit der Antifaschisten im Vorfeld der NS-Machtergreifung darzustellen. Ein Krimi? Auch. Vor allem aber eine kurzweilige zeitgeschichtliche Milieustudie. KLAUS IRLER

Robert Brack: Blutsonntag. Edition Nautilus, 256 S., 13,90 Euro. Buchpräsentation: Samstag, 18 Uhr, Hamburg, Nautilus Buchhandlung