Gelber Riese in der Glaubwürdigkeitskrise

IMAGE Der ADAC wirkt plötzlich unseriös: Wissenschaftler zweifeln am Wahrheitsgehalt von Pannenstatistiken und Tunneltests

BOCHUM taz | Der Skandal um gefälschte Zahlen beim „Lieblingsauto der Deutschen“ beschert dem ADAC ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. Der mittlerweile zurückgetretene Kommunikationschef und Chefredakteur der Vereinszeitschrift Motorwelt, Michael Ramstetter, habe das wichtigste Kapital von Europas größtem Automobilclub gefährdet, so Automobilexperte Stefan Bratzel zur taz: „Vertrauen“.

Schon heute fragen sich Wissenschaftler, ob auch andere Rankings des ADAC gefälscht sein könnten: „Auch die Pannen- und Tunnelstatistik müsste man jetzt untersuchen“, verlangte Ferdinand Dudenhöffer, der an der Universität Duisburg-Essen das Center Automotive Research leitet.

Insider vermuten, dass zumindest die ADAC-Pannenstatistik methodisch fragwürdig ist: „Die Zahlen zeigen nur einen Ausschnitt der Realität“, sagt Automobilwirtschaftler Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Schließlich umsorgen Premium-Hersteller wie Audi, BMW oder Mercedes-Benz ihre Neuwagen-Kunden mit einem eigenen Pannendienst – in der Liegenbleiber-Statistik des ADAC tauchen die Nobelkarossen deshalb nur selten auf. Die Wagen erscheinen zuverlässiger, als sie sind.

Dabei sorgt bereits der aktuelle Fälschungsskandal für massive Enttäuschung unter den mehr als 18 Millionen Club-Mitgliedern. Im Internet drohten allein am Sonntag Hunderte mit der Kündigung ihrer Mitgliedschaft.

Der ADAC ist längst ein verschachtelter Konzern. „Das ist kein Verein, das ist ein Unternehmen“, stellt Bratzel klar – und das bietet Versicherungen und Finanzdienstleistungen genauso an wie Autovermietungen oder Reisen. 2012 verzeichnete der Verein zusammen mit seinen 18 Regionalclubs – die in schönster Nazi-Diktion noch immer „Gaue“ genannt werden – einen Überschuss in Höhe von 82 Millionen Euro. Kommerzielle ADAC-Töchter wie die Rechtsschutz-Versicherung machten knapp 85 Millionen Euro Gewinn.

Doch das Imperium scheint schlecht gemanagt. Im Sommer machten Mobbingvorwürfe die Runde. Danach soll der Geschäftsführer des ADAC in Niedersachsen ein „Klima der Angst“ erzeugt haben. Mitarbeiter sollen bespitzelt, ihre Mails durchsucht und Screenshots von ihren Computerbildschirmen gemacht worden sein – offenbar aus Angst, Betriebsräte gäben interne Infos nach draußen.

Unglaubwürdig erscheint da auch die Aufarbeitung des aktuellen Skandals. Zwar betont der ADAC, weder „die Geschäftsführung noch das Präsidium des ADAC“ seien „zu irgendeinem Zeitpunkt über Unregelmäßigkeiten“ beim Autopreis informiert worden. Auffällig ist aber, dass die Sieger seit 2008 immer nur rund 30.000 Stimmen bekamen. „Hat Motorwelt-Chef Ramstetter wirklich seit Jahren ein Eigenleben geführt?“, fragt sich deshalb Autoexperte Bratzel. „Das wäre schon erstaunlich und seltsam.“ ANDREAS WYPUTTA