: Eine Insel voller Mädchen und Musik
PUNK TROPICAL Die Kumbia Queers haben Spaß dabei, die machistische Tradition der Cumbia-Musik mit Punkrock und wilden Performances herauszufordern. Tanzen werden trotzdem alle, wenn sie heute Abend im RAW-Tempel aufspielen
VON JULIA ROTH
Im Video zu ihrem Hit „Chica de calendario“, Kalendermädchen, schlüpfen die sechs Musikerinnen der Kumbia Queers in die Macho-Rolle. Im Automechanikeroutfit besingen sie die angebetete Traumfrau auf dem Kalender an der Werkstattwand. „A esta chica me la quiero yo comer“, heißt es da: Dieses Mädchen will ich vernaschen!
Wenn Leadsängerin Ali Gua Gua singt, dann tut sie das zu den rhythmischen Cumbia-Beats der Güira, einem aus der Tradition des Merengue stammenden Perkussionsinstruments aus Metall, das mit einer steifen Bürste gespielt wird. Doch am Anfang stand der Punk.
Seit ihrer Gründung mixen die Kumbias Punkrock mit Cumbia-Elementen und Rhythmen des Tropical aus der spanischsprachigen Karibik und nennen den neu kreierten Stil „Punk Tropical“. Neben Bass (Patricia Pietrafesa), Keyboard (Florencia Literas), Schlagzeug (Ines Laurencena) und Gitarre (Pilar Arrese) spielt Joana Chang Charango, eine südamerikanische Version der Laute, und Sängerin Ali Gua Gua die dominikanische Güira.
Zunächst coverten die Kumbia Queers vor allem Stücke der Ramones, von Black Sabbath, The Cure oder Madonna, stets unterlegt mit eingängigen Cumbia-Beats. Die Texte singen sie auf Spanisch und wandeln sie ironisch ab. Madonnas Smashhit „Isla Bonita“ wird so zur „Isla con chicas“, einer Insel voller Mädchen. Die Message ist klar: „Auf der einen Seite wollen wir ein bisschen die heteronormativen Stereotype im Rock und der Cumbia durchbrechen“, sagt Sängerin Ali Gua Gua, „aber vor allem ist unsere Musik eine Einladung dazu, dass alle tanzen, egal, auf was sie stehen.“
Ali Gua Gua kommt aus Mexiko. Im Jahr 2007 tourte sie mit ihrer Band Ultrasónicas durch Peru und Kolumbien, der Wiege der Cumbia. Am Ende der Tour landete sie in Argentinien. Dort traf sie bei einem Festival auf die Musikerinnen der Frauenpunkband She Devils und die Solokünstlerin Joana Chang. Nach einigen gemeinsamen Sessions war klar, dass man weiter zusammen Musik machen wollte.
God save the Queers
„Ali hatte dann nach einigen Bieren die geniale Idee, eine Cumbia-Band zu gründen und sie Kumbia Queers zu nennen“, erinnert sich Joana Chang, die das andinische Saiteninstrument Charango spielt. „Der Name bezieht sich ironisch auf die Mainstream-Cumbia-Band Kumbia Kings. Die sind so voll easy listening, bling, bling“, ergänzt Ali Gua Gua. Die Band ist nicht nur deswegen eine Provokation für die Hetero-Männerdomäne der Cumbia. Seit Anfang der 1990er erlebt der ursprünglich kolumbianische Stil in Südamerika ein Revival, besonders in Argentinien. Es sind zahlreiche Unterstile entstanden, die allesamt kommerziell höchst erfolgreich sind. Die Cumbia Villera dient ähnlich dem HipHop in den USA dazu, über Armut und Kriminalität zu sprechen, ist aber wie der HipHop auch ein Transportmittel des Machismo.
Der geniale Mix aus Punkrock, karibischen Tropical-, kolumbianischen Cumbia-Rhythmen und queerer Performance macht die Konzerte der Kumbia Queers zu Parties. „Wir kamen alle aus viel rockigeren Bands, wo niemand tanzt, oder wenn, dann schlecht“, erzählt Gitarristin Pilar Arrese. „Plötzlich ältere Leute und Kinder tanzen zu sehen, ist super, aber ehrlich gesagt, überrascht es uns selber.“
Das erste Album „Kumbia, Nena!“ nahmen die Kumbias 2007 für ihr eigenes Label Horario Invertido auf. Sie spielten auf dem Zócalo in Mexiko-Stadt, am Pazifikstrand von Mazunte und im argentinischen Frauengefängnis Ezeiza. Inzwischen haben sie auch viele eigene Stücke geschrieben, das zweite Album „La Gran Estafa del Tropipunk“ herausgebracht und standen auch schon in Kanada und New York auf der Bühne.
Gerade hat das österreichische Label comfortzone die EP „God Save the Queers“ herausgebracht, die die Kumbias jetzt mit einer Europatour vorstellen. Nachdem ein Sponsor für ein Festival in Russland abgesprungen ist, finanzieren sich die Musikerinnen die Tour größtenteils selbst, zum Teil aus Spenden und Leihgaben von Fans.
Der Aufwand wird sich aber wohl lohnen: Die ersten Deutschlandkonzerte waren brechend voll, wie vergangene Woche in der Berliner Raumerweiterungshalle. Das sehr facettenreiche Publikum tanzte bei passenden tropischen Temperaturen durchgehend. Bei der nächsten Tour können sich die Kumbias vorstellen, gemeinsam mit einer hiesigen Frauenband aufzutreten. Auf die Frage, welche deutschen Bands sie kennen, muss Ali Gua Gua kurz nachdenken. „Wir kennen die Rhythm Kings, Nina Hagen, und vor ein paar Jahren hab’ ich mal eine Band aus Berlin gesehen, die hieß Karlheinz – und die Scorpions!“ Ali beginnt die Melodie von „Wind of Change“ zu pfeifen. „Es ist mein Traum, aus einem Song der Scorpions eine Cumbia zu machen!“
■ Die Kumbia Queers spielen am 17. Juli um 23 Uhr bei der La-Chusma-Party im RAW-Tempel in Friedrichshain, Revaler Str. 9
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen