Marcelinho geht in die Verlängerung

Als notorischer Zu-spät-Kommer war Hertha-Star Marcelinho schon länger bekannt. Doch jetzt bricht er alle Rekorde: und fehlt seit einer Woche beim Training. Die Hertha-Bosse drohen mit einer Geldstrafe von bis zu 450.000 Euro

Die Deutsche Bahn hat sich gewiss einen glücklicheren Start ihrer Partnerschaft mit Hertha BSC gewünscht. Heute vor einer Woche zogen die Hertha-Profis erstmals die Trikots mit dem „DB“-Aufdruck an. Trainer Falko Götz hatte die Mannschaft nach der Sommerpause zum Training versammelt. Leider wird in der Öffentlichkeit seitdem nur noch über „die Verspätung“ gesprochen, wenn es um Hertha geht.

Anfangs war es nur eine allzu bekannte Meldung. Die Agenturen berichteten, Marcelinho sei zum Trainingsauftakt nicht erschienen. Schon in den vergangenen drei Jahren hatte er diesen Termin stets verpasst. Vermeldenswert wäre deshalb eher seine Anwesenheit gewesen.

Interessant war die Begründung für sein Ausbleiben. Marcelinhos Manager Wolfgang Nothdurft überbrachte sie den Hertha-Bossen: Sein Schützling habe aufgrund einer Straßensperre am Flughafen von São Paulo den Flieger verpasst. Er würde einen Tag später kommen. Wer der Erfindung von Nothdurft Glauben schenkte, wurde enttäuscht. Aus der eintägigen wurde eine drei-, vier, na ja, mehrtägige Verspätung. Am Tag fünf nach Trainingsbeginn verpasste Marcelinho den Termin fürs Mannschaftsfoto. Bis heute ist er nicht aufgetaucht.

Derart hatte Marcelinho seinen Urlaub noch nie in die Länge gezogen. Mit jedem Fehltag droht nun der Fall zum Eklat zu werden. Manager Dieter Hoeneß und Falko Götz werfen Marcelinho „Respektlosigkeit“ vor und drohen ihm mit Geldstrafen „bis an die Schmerzgrenze“. Im Gespräch ist, dass sie ihn mit drei Monatsgehältern, etwa 450.000 Euro, zur Kasse bitten wollen.

Über die Motive von Marcelinho kann nur spekuliert werden. Sein Fernbleiben lässt vermuten, dass er die Aufkündigung seines bis 2007 geltenden Vertrags provozieren möchte. Angeblich hat der brasilianische Club Palmeiras Interesse an ihm. Hertha hat aber bislang nur eine Anfrage vom türkischen Erstligisten Trabzonspor vorliegen.

Marcelinho stand bei Hertha stets im Zentrum der Kritik, wenn die Mannschaft schlecht spielte. In der Regel bot der Spielmacher gerade dann eine seiner Galavorstellungen. Doch in der letzten Saison blieb dieser Effekt aus. Das frustrierte sowohl Spieler als auch den Verein. Einerseits war Marcelinho die Kritik leid, andererseits wuchs bei Hertha die Einsicht, dass sich das Team aus der Abhängigkeit von Marcelinho lösen muss.

Weil er nun nicht mehr als unersetzbar gilt, ist Hertha nicht mehr bereit, über seine Eskapaden hinwegzusehen. Hoeneß beklagt Undankbarkeit: „Marcelos Verhalten ist absolut unverständlich, zumal nach dem, was wir alles schon für ihn getan haben.“ Wenn Hertha den laufenden Vertrag mit Marcelinho kündigt, würde der Verein knapp 2Millionen Euro einsparen. Eine Summe, die man gut für die Verpflichtung eines neuen Stürmers gebrauchen kann. Der mit 44 Millionen Euro verschuldete Verein hat sich nämlich bislang nur mit vier Nachwuchsspielern verstärkt. JOHANNES KOPP