HERMANN-JOSEF TENHAGEN HAUSHALTSGELD
: Soll ich mich jetzt privat versichern?

Gesundheitsreform hin oder her – eine private Krankenversicherung lohnt sich nur für solche Angestellte, die nicht nur gut, sondern verdammt gut verdienen. Alle anderen zahlen mehr als in der gesetzlichen

Kaum hatte das Bundeskabinett beschlossen, dass künftige Kostensteigerungen bei den Krankenkassen allein von den Arbeitnehmern zu tragen sind, klingelte das Telefon. „Ich bezahle jetzt schon 500 Euro für die Krankenkasse, wenn die künftig noch deutlich mehr von mir wollen, wechsle ich in die private. Was meinst du?“

Ich rate ab, und das, obwohl ich selbst privat versichert bin. Warum? Weil der Freund nicht in die private Krankenversicherung will, weil er gern mehr Leistung hätte und es ihm auf den Preis nicht mehr ankommt. Er will Geld sparen, und dazu ist die private Krankenversicherung das ungeeignete Modell.

Abends beim Bier streiten wir weiter über die die private und die gesetzliche Krankenversicherung. Er trägt zwei Argumente vor. Erstens, als Privatpatient sei man Patient erster Klasse und werde von den Ärztinnen und Ärzten anders behandelt. Jeder Kassenpatient und auch jeder Privatversicherte kann hierzu Anekdoten beitragen, die sich zu einem nicht gesetzeskonformen Bild verdichten. In vielen Praxen wird erst nach der Versichertenkarte gefragt – und dann erst nach der Beschwerde.

Zweitens – und hier sieht er von seinem eigenen Interesse mal ab – würden sich die reichen Privatversicherten dem Solidarsystem entziehen, sodass die Krankenkassenbeiträge für alle anderen höher seien, als sie sein müssten. Es ist richtig, dass Privatversicherte nicht in das Solidarsystem einzahlen. Wirtschaftlich attraktiv ist die private Krankenversicherung für diese Besserverdiener aber bestenfalls kurzfristig. Denn wenn die Ärzte an den Privatpatienten im Schnitt mehr verdienen, müssen die für ihre Versicherung im Schnitt auch mehr zahlen. Und zwar deutlich mehr, da sie mit ihren Beiträgen ja auch noch die Aktionäre vieler privater Krankenversicherer befriedigen müssen.

Privatpatienten bezahlen also mehr. Aber warum gibt es dann acht bis neun Millionen von ihnen? Rund die Hälfte aller Privatversicherten sind Beamte und deren Angehörige. Beamte werden durch ihr Dienstrecht dazu angehalten, sich privat zu versichern, denn für sie ist es tatsächlich wirtschaftlich günstiger, obwohl für nicht arbeitende Gattinnen und Kinder zusätzliche Verträge mit zusätzlichen Kosten abgeschlossen werden müssen.

Mein Freund ist ein angestellter Gutverdiener. Diese zahlen, wenn sie gesund sind, in jungen Jahren für sich selbst deutlich weniger an Private als an die Krankenkasse. Später aber steigen ihre Beiträge deutlich schneller als die der Versicherten der Kassen. So war es jedenfalls in den vergangenen Jahrzehnten. Den Rückweg in die gesetzliche Krankenkasse hat der Gesetzgeber zudem verbaut. So mancher Rentner ist heute als Single mit 700 bis 800 Euro Krankenversicherungsbeitrag monatlich dabei. Für Gattin oder Gatte, wenn die denn auch privat versichert sind, wird noch einmal die gleiche Summe fällig. Entkommen nicht mehr möglich. Quintessenz für meinen Freund: Weil er rechnen muss und nicht beamtet ist, versichert er sich nicht privat.

Das alles habe ich erst bei Finanztest gelernt – und da war ich schon privat versichert. Doch der einzig plausible und vom Gesetzgeber offen gelassene Rückweg bestünde in einer längeren Arbeitslosigkeit. Die strebe ich aber nicht an.

Der Autor ist Chefredakteur von „Finanztest“ Foto: Karsten Thielker