DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Klingt süß, ist es aber nicht

WAS SAGT UNS DAS? In Brasilien stürmen junge, arme Menschen die Einkaufszentren zum Flashmob

Fast hört es sich an wie dieser Fußballstar, den jeder kennt, der mit der Zauberkraft: Ronaldinho. Aber „Rolezinho“ ist geiler, kraftvoller, laufstärker – und gerade dabei, auf einigen umkämpften Schauplätzen des diesjährigen WM-Landes Brasilien zu gewinnen.

Das „Bummelchen“, wie man „Rolezinho“ liebevoll übersetzten könnte, ist eine neue Form des Flashmobs in brasilianischen Metropolen. Wie zuvor bei Facebook verabredet, treffen sich die Demonstranten in Einkaufszentren, um dort die Rolltreppen auf- und abzulaufen und brasilianische Folk-Songs zu trällern.

Damit haben sich die Protagonisten dieses Guten-Abend-Hobbys eine symbolträchtige Arena ausgesucht: Shopping-Malls in São Paulo und Rio de Janeiro. Als Inbegriff des gehobenen Ambientes bieten diese Einkaufszentren alles, was das wohlsituierte Herz begehrt: Aircondition, Markenwaren – und Ruhe vom Rest der Welt.

Das ist derzeit anders. Nun erstürmen junge, arme Menschen, oft aus den Vororten der Stadt, diese Rückzugsräume – und reklamieren eine Teilhabe am Reichtum und eine offene Stadt für alle.

Die Methode verschreckt: Vergangenen Sonntag wurde in Rio das Einkaufszentrum „Shopping Leblon“ von den Betreibern aus Angst vor Ausschreitungen geschlossen. Einem Bericht der New York Times zufolge hatten sich 9.000 Menschen angemeldet. Der Hintergrund ist ein ernster: der sehr präsente Alltagsrassismus und die Klassengesellschaft Brasiliens. Jetzt revoltiert die Jugend ein bisschen – und ist dabei mehr als nur süß. MK