Eine Frage des Wohlstands

VOLKSENTSCHEID Die Stimmen gegen die Reform kamen vor allem aus den reichen Stadtteilen, während in den armen Stadtteilen Desinteresse vorherrschte

In Nienstedten, wo die reichsten Hamburger Bürger wohnen, war die Beteiligungsquote am höchsten

Ob und wie die Bürger bei dem Volksentscheid über die Schulreform abstimmten, entschied sich offenbar stark über das persönliche Wohlstandsniveau. Diese Tendenz lässt sich trotz einer dünnen Datenlage ablesen.

Die Hamburger konnten beim Volksentscheid frei entscheiden, in welchem Abstimmungslokal sie ihre Stimmen abgaben. Jemand aus Billwerder konnte also genauso gut in Rothenburgsort oder Rotherbaum abstimmen. Aus diesem Grund veröffentlicht das Landeswahlamt keine offiziellen Wahlergebnisse für die einzelnen Stadtteile. Auch bei der Briefwahl wurden die Absender nicht nach Wohnort erfasst. Es liegen nur die Einzelergebnisse der Abstimmungslokale und der Bezirke vor.

Grundsätzlich lässt sich sagen: In Stadtgebieten, in denen Bewohner mit einem hohem Durchschnittsverdienst leben, wie Nienstedten, Blankenese, Othmarschen, Rissen oder den Walddörfern, fiel die Reform durch. Eine deutliche Mehrheit sprach sich für die Vorlage der Volksinitiative „Wir wollen lernen!“ aus. In Duvenstedt stimmten zum Beispiel rund 60 Prozent für die Initiative und gegen längeres gemeinsames Lernen. In einkommensschwächeren Stadtteilen wie St. Pauli, Veddel oder Altona-Nord sieht es dagegen umgekehrt aus.

Hätten etwa nur die Bürger im Bezirk Altona gewählt, hätten die Befürworter der Schulreform mit hauchdünner Mehrheit gesiegt: 39.528 Wahlberechtigte stimmten hier für die Vorlage der Bürgerschaft, 39.349 für die Volksinitiative. Die niedrigste Zustimmung mit nur rund 19 Prozent fand die Initiative gegen die Primarschule bei den Wahlberechtigten, die im Kundenzentrum St. Pauli abstimmten. Eine Mehrheit stimmte hier für die Vorlage der Bürgerschaft und damit für die Schulreform.

Offenbar entschied das persönliche Einkommen auch über die grundsätzliche Bereitschaft, sich am Volksentscheid zu beteiligen. In den ärmeren Vierteln gaben nur 20 bis 30 Prozent ihre Stimme ab. Die Reformbefürworter konnten Arbeitslose, Menschen mit Migrationshintergrund und Geringverdiener, denen die neue Primarschule vor allem zu Gute kommen sollte, nicht mobilisieren. Im wohlhabenden Norden und Westen lag die Abstimmungsquote dagegen bei bis zu 60 Prozent.

In Nienstedten, wo die statistisch gesehen reichsten Hamburger Bürger wohnen, war die Beteiligungsquote am höchsten. Zu einem Großteil sprachen auch sie sich gegen die Schulreform aus.

Grundsätzlich zeigt das Abstimmungsverhalten beim Volksentscheid, was auch von Wahlen her bekannt ist: Die Partizipationsbereitschaft verschiedener sozialer Milieus ist sehr unterschiedlich. WDE