Barkassen droht Versenkung

Im Alleingang will die Hamburger Hafenbehörde den Umbau von 84 Barkassen durchsetzen. Oder ihren Ersatz durch neue Schiffe. Die Betroffenen wehren sich gegen die Enteignung

von Martina Helmke

Die Barkassenführer verstehen die Welt nicht mehr. In 70 Jahren kein einziges Leck. „Der Straßenverkehr ist viel gefährlicher“, empören sie sich. Die Umrüstung auf verbesserte Schwimmfähigkeit sei absoluter Schwachsinn. Das sieht die Hamburg Port Authority (HPA), sprich Hamburger Hafenbehörde, jedoch ganz anders. Geht es nach ihr, so sollen in kürzester Zeit alle 86 Barkassen entweder umgerüstet oder lieber noch durch Neubauten ersetzt werden.

Für die kleinen Betriebe käme das Ganze einer Enteignung gleich, meint Detlev Winkelmann von der Elbreederei GmbH Rainer Abicht. „Es kann nicht sein, dass die Behörde einmal mit dem Finger schnippst und alle müssen springen.“

Grundlage der Bestrebungen der HPA bildet eine noch gar nicht in Kraft getretene EU-Verordnung, die für mehr Sicherheit auf so genannten „Fahrgastschiffen“ sorgen soll. Die Definition von „Fahrgastschiff“ setzt jedoch eine Länge von mindestens 25 Metern voraus. Dies entspricht jedoch kaum der Größe der kleinen Hamburger Hafenbarkassen.

Auf eine Anfrage der SPD-Abgeordneten Carola Veit an den Senat, warum man die EU-Richtlinie dennoch anwenden wolle, ging dieser nur bedingt ein und berief sich auf Informationen der HPA. Der Hafenschifffahrtsverband vermutet dahinter ein politisches Feigenblatt. Man wolle beim nächsten Unfall auf jeden Fall sagen können, jegliche Vorkehrungen seien getroffen worden.

Doch nicht erst seit dem Barkassenunglück in der vorigen Woche, bei dem 20 Schüler verletzt wurden, wird über die Sicherheit der bis zu 90 Jahre alten Ausflugsschiffe diskutiert. Bereits 1984 wurde als Reaktion auf das Aufsehen erregende „Martina“-Unglück eine Verordnung zur Verschärfung der Sicherheit eingeführt. Der Plan sah vor, dass eine Barkasse bei Wiederanmeldung bestimmten Mindeststandards entsprechen muss. Viele Barkassenführer entschieden sich jedoch gegen eine Modernisierung ihrer Schiffe.

Deshalb entwickelte die HPA vor eineinhalb Jahren gemeinsam mit dem Oberhafenamt ein Konzept zur Umrüstung aller Barkassen, basierend auf dem Gutachten eines Sachverständigen. Die jeweiligen Kosten berechnete er auf 30.000 Euro.

Gregor Mogi, selbst Barkasseninhaber, kann diese Zahl nicht nachvollziehen. Nicht einberechnet worden seien dabei jegliche Vorbereitungsmaßnahmen, die das Alter der Schiffe vor einem Umbau mit sich bringen würde. So existiere von vielen dieser Schiffe nicht einmal ein Bauplan nach dem man sich richten könne. Unterstützung erhält er in diesem Punkt durch Hans-Wolf Gerlach vom Hafenschifffahrtsverband. Gerade sei eine Barkasse des Inhabers Abicht für weit über 60.000 Euro umgebaut worden. „Die kalkulierten Kosten passen vorn und hinten nicht. Außerdem werden viele Barkassenunternehmen bei Umsetzung der Vorgaben um ihre Wirtschaftlichkeit fürchten müssen.“

So wird beispielsweise verlangt, dass ein Drittel der Panoramascheibe abgerissen wird um den Insassen bei Sinkgefahr eine verbesserte Fluchtmöglichkeit zu bieten. Dieses Dach sollte bisher die Hafenrundfahrt auch bei Hamburger Schmuddelwetter ermöglichen. Der Hafenschifffahrtsverband rechnet daher mit erheblichen Einbußen bei den Passagierzahlen. Um dennoch ausreichend Gäste transportieren zu können wäre das Bauen gänzlich neuer Schiffe nötig. Ein Kostenaufwand von geschätzten 400.000 Euro, für die Unternehmen eine utopische Summe.

Neue Schiffe besäßen mit großer Sicherheit auch nicht mehr denselben touristischen Reiz, wie ihre Vorgänger. Für potenzielle Fahrgäste, so die Befürchtung, ginge ein gewisser Charme verloren, wenn sie statt auf den typischen Holzbänken der historisch anmutenden Barkassen auf Plastiksitzen in hoch modernen Schiffen Platz nehmen müssten.

Ist damit das Ende der 70-jährigen Barkassen-Schifffahrt im Hamburger Hafen eingeläutet? Müssen wir demnächst auf die Rufe der Hamburger Ideale verzichten wenn wir die Landungsbrücken entlangflanieren? Inzwischen haben Inhaber und Verband einen Ausschuss gebildet, der nun mit aller Kraft versucht den Umrüstungstermin bis 2015 in die Länge zu ziehen. In ihren Augen ist dies die einzig realistische Zeit. Gleichzeitig wird mit einem eigenen Sachverständigen nach Alternativen gesucht.

Eine Möglichkeit wären zum Beispiel strengere technische Checks. Ohnehin genießen die Barkassen einen festgelegten Bestandsschutz bis zum Jahre 2045, der lediglich durch neue Erkenntnisse oder eine veränderte Rechtslage gekippt werden könnte.

Die HPA sieht dieses durch die neue EU-Verordnung allerdings als bereits bereits gegeben an. Der Hafenschifffahrtsverband kündigt Klage an.