Die Rettung der Schönheit

FERNSEHEN Von Schnabeltieren, die auszogen, um Totenkopfblumen zu sehen, bis zu bösen Pharmakonzernen – 3sat zeigt mit „Trickreich“ (Auftakt heute, 22.25 Uhr) Animationsfilme

Mit sehr viel Weiß und noch mehr Schwarz entstanden eiskalte, teilweise grandiose Bilder

VON MICHAEL BRAKE

Es ist 2010. Im Kino läuft Wes Andersons traumhaft guter Film „Der fantastische Mr. Fox“, die Serie „Simpsons“ wurde neulich 20, der Film „Akira“ ist sogar noch ein bisschen älter. Und in deutschen Pressetexten muss man immer noch betonen, dass „die Zeiten vorbei sind, in denen Trickfilme ausschließlich als reine Kinderfilme galten“. So auch 3sat, das sein Sommerprogramm mit dem Animationsfilms-Special „TrickReich“ aufhübscht.

Den Auftakt macht heute (22.25 Uhr) Kristl Philippis Doku „Bewegte Bilder“: ein routiniertes Round-up für Einsteiger. Vorgestellt wird Prominenz wie „Wallace and Gromit“, „Persepolis“ und „Waltz with Bashir“, aber auch das belgische Indie-Duo Vincent Patar und Stéphane Aubier.

Im Anschluss folgt eine komplett wortlose Entdeckung der Langsamkeit im Stop-Motion-Gewand: „Blood Tea and Red String“ (22.55 Uhr) spielt in einem selbst gebastelten Märchenwald mit Cellophanfolienbächen und Wattebauschwolken, in dem eine Familie gurrender Fabelschnabelnagetiere lebt und eine Frauenpuppe genäht hat.

Drei weiße Mäuse in Zirkusdirektor-Jacken stehlen die Schönheit, und so müssen sich die Fabelwesen auf Reisen begeben. Sonnenblumen mit Totenkopfgesichtern, Froschzauberer, eine Spinne mit Frauengesicht, die Blaumeisen fängt – alles atmet den Charme osteuropäischer Kinderfilme aus den Sechzigern, leider ist auch die Animationsqualität entsprechend. Es zuckelt und ruckelt und hüpft, und man muss schon wissen, dass „Blood Tea and Red String“ beinahe im Alleingang über 13 Jahre von der US-Amerikanerin Christiane Cegavske gedreht wurde, um darüber hinwegzusehen. Ein gewöhnungsbedürftiges Stück Independent-Kino.

Von einem anderen Ende des Animationsfilmspektrums kommt „Renaissance“ (Donnerstag, 22.25 Uhr), gedreht im Motion-Capture-Verfahren – bei dem Schauspielerbewegungen in Animationen umgewandelt werden – und dann noch so weit nachbearbeitet, bis nur noch ein wenig Weiß und sehr viel Schwarz übrig ist. Auf diese Weise entstanden eiskalte, teilweise grandiose Bilder, die ideal zum Szenario eines dystopisch angehauchten Paris im Jahr 2054 passen. So schablonenhaft wie die Optik ist allerdings auch die Geschichte: Ein Lonely-Wolf-Cop verstrickt sich in eine Verschwörung rund um einen Pharmakonzern. Das lässt sich bequem wegschauen, ist aber nicht wirklich bahnbrechend.

Was auch für „Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“ (Mittwoch, 22.25 Uhr) gilt: ein japanischer Coming-of-Age-Film über eine Teenagerin, die plötzlich übersinnliche Fähigkeiten entwickelt. Außerdem zeigt 3sat eine dänische Marionettensaga, eine recht aktuelle französische Lucky-Luke-Verfilmung, eine Kurzfilmrolle, ein Werk des Independent-Filmers Bill Plympton – und auch der Anime-Großmeister Hayao Miyazaki ist mit dabei, leider mit seinem vergleichsweise schwachen „Wandelnden Schloss“, einem bonbonbunten Antikriegsmärchen um eine verzauberte Hutmacherin, dem vor lauter fantasievoller Ideen leider die Stringenz abhandengekommen ist.

Aber Qualität schien ohnehin nicht das Hauptkriterium von 3sat bei der Filmauswahl gewesen zu sein. Hauptziel war ganz offenbar, so gut es geht die gesamte inhaltliche und gestalterische Bandbreite des aktuellen Animationsfilms abzudecken – das ist gelungen, auch wenn „TrickReich“ dadurch ein wenig wie Kraut und Rüben wirkt.