China ohne Tabus

Mit zwei Wochen „China Time“ in Hamburg soll das Reich der Mitte im Norden hoffähig werden. Bisher dominieren wirtschaftliche Interessen

Es werde „keine Jubelveranstaltung werden“, versichert Ole von Beust

Von Sven-Michael Veit

Hamburg wolle das 20-jährige Jubiläum seiner Partnerschaft mit der chinesischen Hafenstadt Shanghai „in der Hansestadt mit der großen chinesischen Gemeinde gemeinsam begehen“, schreibt Bürgermeister Ole von Beust (CDU) in seinem Grußwort (Abbildung rechts). Und vor allem mit der „China Time“ vom 13. September bis zum 1. Oktober, einer „bundesweit einzigartigen Veranstaltungsreihe“, die der Regierungschef gestern höchstselbst präsentierte.

In der Tat bietet das 54-seitige Programmheft (erhältlich bereits vorab unter www.chinatime-hamburg.de) mancherlei: Reisevorträge, Konzerte, Varieté, eine Diskussion über die Situation der Frauen in China und „Mahjong“ in der Kunsthalle, angeblich Europas größte Ausstellung chinesischer Kunst der Gegenwart. Dennoch werde das zweiwöchige Programm „keine Jubelveranstaltung werden“, versichert von Beust: „Kein Thema wird nicht behandelt.“

Und das beteuert er gleich dreimal, denn auf der Pressekonferenz wird er vor allem über Menschenrechtsverletzungen im Reich der Mitte befragt, auch zu Gerüchten über organisierten Handel mit menschlichen Organen muss er Stellung nehmen.

Letzteres könne er für Hamburg ausschließen, das hätten alle Kliniken der Stadt dem Senat versichert. Und ansonsten eben „wird kein Thema tabuisiert“. Ein Vortrag über das jüdische Ghetto in Shanghai stehe ebenso im Veranstaltungsprogramm wie ein Diskussionsabend über Menschenrechte.

Im Grunde aber, auch daran lässt von Beust keinen Zweifel, ranken sich „die fröhlichen und die nachdenklichen Veranstaltungen“ um den ökonomischen Kern. Die Zusammenarbeit mit dem größten Wachstumsmarkt auf Erden soll „intensiviert und vertieft werden“ zum Nutzen Hamburgs und der norddeutschen Region.

Mit etwa 400 Filialen chinesischer Firmen sei die Elbmetropole „das Chinazentrum Europas“, behauptet der Bürgermeister, und der mit Abstand wichtigste Hafen auf dem Kontinent für die Container aus und nach Fernost sei Hamburg ohnehin. Aber auch Bremerhaven sei gut im Geschäft mit den Erben Maos, und der Lübecker Hafen wachse kontinuierlich mit seiner Aufgabe, die Blechkisten in die Ostseeländer weiter zu verteilen.

Die wichtigsten offiziellen Programmpunkte sind nur für handverlesene Gäste zugänglich. Zum Hamburg-Summit vom 13. bis 15. September werden „etwa 300 Entscheider“ aus Konzernen Deutschlands, Europas und Chinas erwartet, beim Galaabend am 13. werden Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao und Bundeskanzlerin Angela Merkel das Rathaus beehren. Dafür ließ von Beust „aus Sicherheitsgründen“ sogar die Plenarsitzung des Landesparlaments verschieben. Seine CDU-Mehrheit drückte diesen Beschluss gegen die rot-grüne Opposition durch.

Die fand, ein frei gewähltes Parlament dürfe sich nicht für den Repräsentanten eines Landes verlegen lassen, „das im Hinblick auf Demokratie und Menschenrechte nicht zum Vorbild“ tauge. CDU-Fraktionschef Bernd Reinert mochte darin auf Geheiß seines Bürgermeisters allerdings nur „ein technisches, kein politisches Problem“ erkennen. Für den „Regierungschef eines wirtschaftlich und politisch sehr bedeutenden Landes“ könne „man mal von langfristiger Planung abweichen“.