Immobilienhai vor Gericht

Wegen schwerer Untreue steht ein Immobilienhändler vor Gericht. Er soll Mietkautionen falsch verbucht haben

Nicht nur wegen der brütenden Hitze kommt der Staatsanwalt zum Beginn der Verhandlung gegen den Immobilienkaufmann Gustav Sommer ins Schwitzen. Eineinhalb Stunden lang verliest er in seiner Anklage Zahlen- und Namenskolonnen gestern im Kriminalgericht Moabit. Dahinter verstecken sich Schicksale von 210 Geschädigten des Maklers. Das Verfahren mit vier verschiedenen Anklagepunkten gegen den 61-jährigen Sommer, seinen Sohn Michaal und seine Frau Erika wird voraussichtlich bis Ende September dauern. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Immobilienkaufmann schwere Untreue in mehreren Fällen vor. Er soll Kautionszahlungen von Mietern nicht ordnungsgemäß auf verzinste Treuhandkonten überwiesen haben, sondern sie mit Firmengeldern vermischt haben. Damit sei laut Staatsanwaltschaft das Vermögen der Mieter nicht nur gefährdet worden, es sei auch ein Schaden für sie entstanden.

In den anderen Anklagepunkten, die für die Hauptverhandlung zusammengeführt wurden, geht es um den Vorwurf der Konkursverschleppung. Sommer soll nicht rechtzeitig die Zahlungsunfähigkeit seiner Firmen eingestanden haben. Zudem seien in drei Fällen die Geschäftsbücher der Firmen des Angeklagten nicht ordnungsgemäß geführt worden, so der Staatsanwalt in seiner Anklageverlesung.

Die Anklage stammt noch aus dem Jahr 2003, die vorgeworfenen Straftaten liegen teilweise schon über zehn Jahre zurück, sie wurden zwischen 1994 und 1997 begangen. Laut Justizsprecher Arnd Bödeker liegt das an der Überlastung der Berliner Wirschaftskammern, die auch mit den Verhandlungen zur Bankgesellschaft beschäftigt sind. Zudem handle es sich um ein sehr umfangreiches Verfahren, so Bödeker, das eine sehr intensive Vorbereitung erfordert habe.

Gustav Sommer ist sich keiner Schuld bewusst. Sein Anwalt Wolfgang Ziegler weist in einer 45-minütigen Erklärung die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurück. Auch die Anwälte des Sohnes und der Ehefrau sehen keine Schuld ihrer Mandanten. Sie hätten mit den Geschäften Sommers nichts zu tun gehabt, sondern seien nur formell Geschäftsführer von zwei Firmen gewesen. Die Verantwortung habe stets Gustav Sommer getragen. Sommers Rechtsanwalt bestätigt dies.

Den Mietern sei kein Schaden entstanden, so Ziegler, der ehemalige Verteidiger Erich Honeckers. Er weist darauf hin, sein Mandant hätte immer über genügend Bargeld verfügt, um Kautionen auszuzahlen. Ein Zuschauer quittiert dies mit höhnischem Lachen. Laut Ziegler sei außerdem nach damals herrschender Rechtslehre nicht klar gewesen, ob ein Treueverhältnis zwischen Vermieter und Mieter bestehe.

Der Saal im Moabiter Gerichtsgebäude ist anfangs bis zum letzten Platz gefüllt. Etwa 30 Geschädigte des oft als Immobilienhai bezeichneten Sommer verfolgen gespannt den Prozess. Aber schon nach der ersten Pause leeren sich die Zuschauerreihen. Die langen Namen- und Zahlenreihen, die der Staatsanwalt verliest, schrecken viele Besucher ab.

Schon nächste Woche wird der Prozess weitergehen. Dann sollen erste Zeugen gehört werden. Gegen Sommer läuft laut Justizsprecher Bödeker noch ein weiteres Verfahren – der Prozess habe aber noch nicht begonnen.

SEBASTIAN LEHMANN