Unesco droht, Dresden zu enterben

Dresden steht auf der „roten Liste“ jener Orte, denen die Unesco eine Aberkennung des Titels „Weltkulturerbe“ androht. Der Grund ist der geplante Bau einer riesigen Brücke über die Elbe und die Elbauen. Die Gegner des Bauwerks bekommen Aufwind

AUS DRESDENMICHAEL BARTSCH

Ein Hochhaus vor dem Kölner Dom, Windräder vor der Wartburg, eine monströse Brücke über die Dresdner Elbauen? Die Unesco nimmt es genau, wenn es um den Schutz ihrer Stätten des Weltkulturerbes geht. Köln kam auf die „rote Liste“ der Wackelkandidaten, denen die peinliche Aberkennung des Welterbetitels droht. In Thüringen genügte die öffentliche Diskussion, damit der Blick auf die Wartburg unberührt blieb. In Dresden hat das jedoch nicht gereicht, obschon dort seit Jahrzehnten um die geplante Elbbrücke gestritten wird.

Weil die Planungen für die Brücke im Elbtal, einem 18 Kilometer langen Flussabschnitt, weiter laufen, hat das zuständige Unesco-Komitee nun auch Dresden auf die „rote Liste“ gesetzt. Köln dagegen wurde schon für sein Einlenken belohnt und wieder von der Liste gestrichen.

Bereits im Frühjahr hatte ein Gutachten der Technischen Hochschule Aachen im Auftrag des in Paris ansässigen Welterbekomitees von einer „irreversiblen Schädigung der besonderen Qualitäten des Elbtals“ gesprochen, sollte die so genannte Waldschlösschenbrücke gebaut werden. Sie zerschneide die Landschaft und füge sich nicht organisch ins Bild der übrigen Brücken ein.

Pläne für den Bau eines Verkehrszuges ausgerechnet an der breitesten Stelle des Dresdner Elbbogens tauchten jeweils in starken Wachstumsphasen der Stadt auf, so noch im letzten Jahr der DDR. Nach der Wende wurden sie wieder aufgegriffen. Ein jahrelanger Streit setzte ein, der Stadtrat entschied widersprüchlich, Brückengegner und Anwohner erhoben Einsprüche im Planfeststellungsverfahren und klagten, auf erste Spatenstiche folgten Baustopps. Eine CDU-geführte Bürgerinitiative erwirkte 2005 schließlich einen Bürgerentscheid, bei dem sich rund zwei Drittel der Dresdner für den Brückenbau aussprachen. Die Brückenbefürworter profitierten dabei von der „Nase voll“-Stimmung in Dresden nach dem langen Streit und den bereits versickerten rund 22 Millionen Euro für Planung und Vorlauf. Die Brücke selbst soll wegen ihrer Dimensionen und der komplizierten Tunnelanbindung am Elbhang mindestens 150 Millionen Euro kosten.

Parallel zum Brückenstreit hatte sich Dresden jedoch um die Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes beworben und 2004 diesen Titel auch erhalten. Brückengegner hatten bislang nur mit ökologischen Bedenken, den Kosten und der verkehrspolitischen Sinnlosigkeit des Bauwerks angesichts des rückläufigen Verkehrsaufkommens argumentiert. Nun kamen ästhetische Gesichtspunkte und die optische Vereinbarkeit mit dem „Gesamtkunstwerk Elbtal“ hinzu. Eine maßgebliche Rolle spielte dabei der aus Dresden stammende Nobelpreisträger Günter Blobel, der Unesco-Generaldirektor Francesco Bandarin in Paris alarmierte.

Die Sächsische Akademie der Künste kritisierte das geplante Bauwerk, Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und weitere 300 Unterzeichner protestierten: „Dieser Blick gehört der ganzen Welt!“ Angesichts der sich abzeichnenden Alternative „Brücke oder Weltkulturerbe“ kippte auch in der Bevölkerung die Stimmung. Nur etwa die Hälfte will nach Umfragen die Brücke um jeden Preis. Die Grünen verlangten deshalb bereits eine Wiederholung des rechtlich bindenden Bürgerentscheids.

Mit der Unesco-Entscheidung ist die Strategie der Stadtverwaltung gescheitert, Brückenbau und Erbestatus miteinander zu vereinbaren. Unverdrossen sollen indessen auf einer Sondersitzung des Stadtrates am 20. Juli die Bauleistungen für die Brücke vergeben werden.