Keine Angst vor der Bundeswehr

AFGHANISTAN Einer einzigen NGO gefällt die Idee Dirk Niebels, Mittel an Militärkooperation zu binden

„Unsere Erfahrung ist, dass das Militär uns nicht unbedingt schützt“

ULRICH POST, VENRO

BERLIN taz | Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat mit einem offenen Brief auf die Vorwürfe des Dachverbands der Nichtregierungsorganisationen, Venro, reagiert. Es gehe bei seinem Vorschlag nicht um eine Unterordnung der Entwicklungszusammenarbeit unter die militärische Führung, schrieb Niebel. Der Hintergrund: Sein Ministerium bindet zusätzliche 10 Millionen Euro für Projekte in Afghanistan an Kooperation mit der Bundeswehr.

Während viele Nichtregierungsorganisationen dagegen protestieren, gibt es eine, die seit Jahren mit der Bundeswehr zusammenarbeitet. Die Leiterin von Kinderberg International aus Stuttgart, Suzana Lipovac, sagt: „Ich mache das nicht, weil unsere Regierung es verlangt oder weil ich dafür Geld bekommen habe.“ Sie war Zeugin der Ereignisse von Srebrenica in Bosnien in den 90er Jahren. Aus dem Massaker, das unter den Augen von UN-Blauhelmsoldaten geschah, zieht sie die Folgerung: „Schutz und Sicherheit sind das höchste Hilfsgut, das man einem Menschen geben kann.“

Bereits in Bosnien hat Kinderberg dann mit der Bundeswehr kooperiert. In Afghanistan führt Kinderberg ein Projekt zur medizinischen Versorgung durch, das vom Auswärtigen Amt mit 18 Millionen Euro gefördert wird. Lipovac betont, dass ihre Organisation nicht der Bundeswehr unterstellt sei. Die Regeln für die Kooperation richte sich nach vorab festgeschriebenen Richtlinien. Die Bundeswehr profitiere aus ihrer Sicht nicht davon, für Kinderberg ergeben sich daraus jedoch Vorteile: Lipovac muss keine privaten Sicherheitsleute bezahlen, ihre Mitarbeiter können häufig Bundeswehrflüge nutzen, ihren Geldtransfer über die Bundeswehr abwickeln und werden früh über Sicherheitsrisiken informiert.

Vom Argument anderer Organisationen, man sei nur mit Distanz zur Bundeswehr sicher, hält Lipovac nichts. „Die Aufständischen, die gegen die Bundeswehr sind, sind auch gegen Zivilisten“, meint sie. Wer hingegen kein Problem mit den Hilfsorganisationen habe, etwa moderate Taliban, habe auch nichts gegen die Bundeswehr.

Der Vorsitzende von Venro, Ulrich Post, meint hingegen, es sei häufig der Fall, dass zivile Helfer nicht abgelehnt werden, die Bundeswehr aber schon. „Unsere Erfahrung ist, dass das Militär uns nicht unbedingt schützt. Deshalb sind auch viele Organisationen aus Kundus, wo die Bundeswehr stationiert ist, weggegangen“, sagte Post der taz.

Einen Antragsteller für die zusätzlichen Fördermittel hat Minister Niebel gestern verloren. Eine der größten Organisationen, die Caritas, sagte unter diesen Bedingungen ab.KARIN SCHÄDLER